Wenn sich Uwe Wöllner vorstellt, klingt sein Vorname wie ein Grunzlaut. “Weiß ich jetzt nicht”, ist seine Lieblingsfloskel, wenn sich unsicher fühlt. “Für Uwe” heißt seine ebenso selbstbewusste wie peinliche (Auto-)Biografie, die Christian Ulmen jetzt mit sehr viel Mamaliebe veröffentlicht.
Auf der Beerdigung für seine tote Mutter präsentiert Uwe der entsetzten Trauergemeinde ein blutrotes Bild, das er zu ihren Ehren angefertigt hat: “Dieses Blut hier ist echt. Es stammt aus meiner Nase, falls es Sie interessiert. Ich hab die Heizung nachts auf 5 gedreht und mir dann so lange die trockenen Schollen von den Nasenlöchern gekratzt, bis Blut geschwallt ist. Aber nicht nur so aus Quatsch, sondern ich hab halt darüber nachgedacht, dass es dieses Blut nicht gäbe, wenn Mama mich nicht genau heute vor einunddreißig Jahren unter Schmerzen auf die Welt gebracht hätte.” Das reicht. Sein Vater schmeißt den perspektivlosen Schwachkopf aus dem Haus und organisiert eine Aushilfsstelle für Uwe bei einem Beerdigungsinstitut in Berlin. – Der junge Mann reist nun von Hannover-Garbsen in die Hauptstadt, um das Kerl-Werden nachzuholen.
Aber der Mortal-Kombat-Schmock verpeilt bereits den ersten Trauerbesuch bei einer Tochter, die gerade ihren Vater verloren hat: “Die Tür wurde von einer jungen Frau in den Zwanzigern aufgemacht, vielleicht war sie auch einmal schön gewesen, als sie noch jünger war.” Der Uwe, der meint das selbstverständlich nicht böse. Aber er ist an keiner Stelle anschlussfähig. So wundert es nicht, dass sein einziger Berliner Freund ein kleinkrimineller 12-jähriger ist, der Nusslikör säuft, in Supermärkten klaut und Uwe für einen “Spasti” hält – “Aber cooler Spasti.” Dieser “coole Spasti”, für den Russell Crowe in “Gladiator” und Sarah Connor Rolemodels sind, dieser ferngesteuerte Metallica-Fan verknallt sich in eine Prostituierte, die ihn selbstverständlich nach Strich und Faden ausnutzt. Jede Hinwendung, egal von wem, interpretiert Uwe als Liebeshandlung, wie betrunken torkelt er durch sein Leben.
Nur wenn es um “Mama” geht, hat der Loser helle Momente, in denen er jedes Wort nicht nur zu verstehen, sondern auch fachgerecht zu interpretieren weiß. Als ihm eine Mitfahrerin in der Bahn ihr Beileid ausspricht, antwortet Uwe: “Weiß ich jetzt nicht. Sie kennen mich ja gar nicht. Sie können also nicht sagen, dass Ihnen das leid tut, weil Sie gar kein gemeinsames Empfinden mit mit entwickeln konnten.” Dass dieser Mann mit der ganzen Welt kein “gemeinsames Empfinden” entwickeln kann, beweist Christian Ulmen in den großartigen “Uwe Wöllner startet durch”-Clips, die seit Monaten auf seiner Homepage stehen. Im Rahmen einer fiktiven Dokusendung wird dem schüchternen, lebensunfähigen Hartz-IV-Empfänger beigebracht, wie sich ein moderner Mensch in der Gesellschaft verhalten soll – Redakteur Schorch verspricht ihm, für Frau und Arbeit zu sorgen, was jedoch von Sendung zu Sendung unwahrscheinlicher wird, weil Uwe ein durchaus gefestigter Charakter ist. Ob in der Fleischerei, im Bordell, bei der Yoga-Lehrerin oder gegenüber einer hartgesottenen Feministin – Uwe bleibt Uwe bleibt Uwe. Da kann man nichts machen.