Putzige Fledermäuse und eine geheimnisvolle Nachtbibliothek, ein kleiner Schattenfisch und der erhabene Kölner Dom zeigen die schönsten Bilderbücher dieses Monats.
“Wer jemals selbst versucht hat, den Kölner Dom in seiner schieren Größe zu fotografieren, wird mehrere Versuche unternommen haben, bis er – oder sie – den richtigen Standort und Abstand gefunden hat“, schreiben die Herausgeber. 1852, also 604 Jahre nach der Grundsteinlegung, nahm der aus Belgien stammende Fotograf Johann Franz Michielis das erste bekannte Lichtbild des Domes auf. „Die älteste Abbildung des Domes, zugleich eine der frühesten Darstellungen realer Architektur nachantiker Zeit überhaupt, findet sich jedoch in der Kölner Dombibliothek in dem um 1025 entstandenen Hillinus-Codex (…) Hier ist über dem Widmungsbild, auf dem Hillinus dem Dompatron Petrus seinen Codex überreicht, deutlich der karolingische Vorgängerbau der heutigen Kathedrale zu erkennen.“
Die bildtechnische Vermessung des Doms ist eines der wichtigsten Instrumente, um etwaige Schäden realistisch auszubessern – notwendig nach dem Zweiten Weltkrieg, doch auch bis in die 1980er Jahre, als sich die Umweltverschmutzung besonders aggressiv auf den Naturstein auswirkte. Mit diesem Band folgen wir den letzten Bauarbeiten im 19. Jahrhundert. Erst 1882 sind alle Gerüste der Westfassade verschwunden. Eine sehr klare Aufnahme von August Sander aus dem Jahr 1930 steht neben der sehr weichen, in goldbraunen Tönen gehaltenen Fotografie von Rainer Gaertner aus dem Jahr 1978. Es gibt eine Auswahl jener Detailansichten von Anselm Schmitz, die einige der rund 700 Dom-Skulpturen des Bildhauers Peter Fuchs katalogisiert. Ein Bild von 1941 zeigt den Altarraum mit den Betonverschalungen, die die wertvollen Chorpfeilerfiguren aus der Zeit kurz vor 1300 schützen. Wir folgen den Neu- und Umbauten des Doms in den Zeiten des Wirtschaftswunders bis heute. Ein beeindruckender Band, mit Fotografien u.a. von Boris Becker, Lee Miller und Ruth Hallensleben. Peter Füssenich, Barbara Schock-Werner: „Der Dom“, Greven Verlag, 206 Seiten, 38 Euro
Putzige Bilderbuch-Fledermäuse flappen durch Carmen Olivers „Die Erzählerin der Nacht“. Die Kanadierin findet eine schöne Verbindung zwischen den geflügelten Tieren und dem geöffneten Buch, das gleichsam durch die Dämmerstunden zieht: „Die Sonne schlüpft hinter den Horizont, und die Tiere der Nacht erwachen: Jemand ruft ihnen zu: ‚Kommt, kommt, meine Freunde, kommt, ich will euch eine Geschichte erzählen.’“ So ziehen Raupen und Käfer, Glühwürmchen und Fledermäuse zur Bibliothek der Dämmerung, die in den Fäden schillernder Spinnweben aufgestellt ist. Sie hocken beisammen, um sich zu erfreuen, an vorgestellten Sonnenuntergängen, salzigen Ozeanen, an tiefblauen Bergspitzen. Nicht nur die alte Verbindung von Text und Gewebe wird hier evoziert, der hypnotische Ton der Erzählung wiegt alle Zuhörerinnen und Zuhörer – also auch die Kinder, denen dieses Buch vorgelesen wird, in einen traumreichen Schlaf, und „die Tiere kehren zurück in ihre Verstecke, wo sie müde ihre Augen schließen, und im Land der Träume ihre eigenen Geschichten erfinden.“ Carmen Oliver (Text), Miren Asiain Lora (Illustration): “Die Erzählerin der Nacht”, aus dem Englischen von Anna Schaub, NordSüd, 32 Seiten, 16 Euro, ab 4 Jahre
Ursula Wölfel, die am 16. September ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte, veröffentlichte 1968 einen Band mit „Siebenundzwanzig Suppengeschichten“, damals illustriert von ihrer (inzwischen 78-jährigen) Tochter Bettina. Die flächigen, mit Farbnuancen spielenden Bilder des gerade erschienenen „Schattenfisch“-Buchs von Elisabeth Longridge erinnert fern an die Technik aus Bettina Wölfels Frühphase. Erzählt wird hier die Geschichte des ängstlichen, kleinen Fischchens, das sich „ganz allein im riesigen weiten Meer“ ausgeliefert sieht. Doch es hat einen Gefährten, seinen Schatten, der ihm folgt – man denkt unweigerlich an Adelbert von Chamissos „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“. Doch in Longridges Buch wird dieser Schatten nicht veräußert, sondern als Freund angenommen. „Die Freundschaft macht den kleinen Fisch mutiger. Er traut sich sogar, alle zu grüßen. Seit er Hallo sagt, wollen viele mit ihm befreundet sein. Jetzt ist ber überhaupt nicht mehr einsam.“ Hier wird gezeigt, warum es sich lohnt, seinen Schatten anzunehmen, ganz im Sinne C.G. Jungs, der über schattenhaft beschriebenen Archetypen nachgedacht hat, die für jene psychischen Inhalte stehen, die noch keiner bewussten Bearbeitung unterworfen sind. Sodass an diesen „Schattenfisch“ nicht nur kleine Kinder, sondern auch Erwachsene ihre Freude haben und neue Einsichten gewinnen können. Elisabeth Longridge: „Schattenfisch“, aus dem Englischen von Anne Brauner, Freies Geistesleben, 32 Seiten, 16 Euro, ab 5 Jahre