Halloween steht vor der Tür – die Auslese dieses Monats kommt deshalb mit Kürbissen, Fledermäusen, sie ruft „Süßes oder Saures“, folgt einer Wölfin, reist bis zum Mond und findet ausgerechnet im Wald den besten besten Freund aller Zeiten.
Auf diese Idee muss man erst einmal kommen: ein Bilderbuch auf Rechenkästchen (mit leicht erhöhten Seiten), auf einem Papier also, wie es Kindern von Erwachsenen gereicht wird mit den Worten: „Mal was Schönes.“ Auf diesen Kästchen erzählt Pablo Albo die Geschichte einer einsamen Wölfin (exakt müsste es „Fähe“ heißen), die durchs Regenwetter läuft: „Es fallen vier Tropfen. Einer auf den Baum. Noch einer auf den Baum. Noch einer auf den Baum.“ Auf sprachlicher Eben wird dieses Kästchen für Kästchen entstehende Bild aufgegriffen, als zeichne ein Kind mit Filzstiften ein Rechteck nach dem anderen aus. Auch die farblichen Überlagerungen der geometrischen Grundfiguren (Punkte, Strecken, Geraden, Dreiecke, Vierecke, Kreise) entsprechen dem stets bräunlich erscheinenden Farbstift-Mischung.
Um diese Geschichte nachzuzeichnen braucht es lediglich ein Geodreieck und einen Zirkel, als Kontrast zur wilden Natur, durch die sich die titelgebende, ausnahmsweise nicht schematisch angelegte Wölfin bewegt: „Langsam kommt die Nacht. Im Himmel wird ein Stern geboren. Die Wölfin, in der Höhle, betrachtet sie.“ Selbst da werden die leuchtenden Punkt einzig auf den Schnittkanten des Kästchenpapiers gezeichnet – eine interessante Idee der vielfach ausgezeichneten spanischen Illustratorin Cecilia Moreno (sie hat nichts zu tun mit der gleichnamigen Figur aus Seth MacFarlanes Zeichentrickserie „Family Guy“) – als schöne Einübung in die Differenzen Chaos/Ordnung oder belebt/unbelebt. Eine Feier der Ursprünglichen. Pablo Albo (Text), Cecilia Moreno (Illustration): „Die Wölfin“, aus dem Spanischen von Karl Rühmann, Jungbrunnen, 56 Seiten, 19 Euro, ab 3 Jahre
Der Herbst ist unweigerlich angebrochen, das Wetter wird ungemütlich, unsere Heizungen rauschen, seit Tagen werden Kürbisrezepte und Gruselkostüme in den „sozialen Medien“ geteilt – Allerheiligen steht vor der Tür. Nach „1 2 3 … ich kann zählen“ und „1 2 3 … bald ist Weihnachten“ bekommt „Die kleine Raupe Nimmersatt“-Reihe Zuwachs mit dem Pappbilderbuch „1 2 3 … bald ist Halloween“ des 2021 verstorbenen Kinderbuchstars Eric Carle: „Eine kleine Raupe sieht sich um. Zwei Würmer kriechen im Erdboden herum. Drei kleine Spinnen spinnen still und stumm.“ Nach diesem Prinzip besucht die kleine Raupe Nimmersatt Fledermäuse und Eulen, findet neun gruselige Kürbisse und landet am Ende bei zehn bunten Süßigkeiten. Als der erste Band 1969 in deutscher Übersetzung erschien und sich anschickte, zahlreiche Kindergarten-Generationen zu belustigen, war der ursprünglich aus dem katholischen Irland stammende Brauch hierzulande unbekannt. Jetzt gehört der Herbst-Karneval zu unserer Kultur – und mit diesem Bilderbuch werden auch die Allerkleinsten an „Süßes oder Saures“ herangeführt. Grusel. Eric Carle: „Die kleine Raupe Nimmersatt“, aus dem Englischen von Leena Fiegler, Gerstenberg, 12 Seiten, 13 Euro, ab 3 Jahre
„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“ Das Irreale wird in der Literatur unhinterfragt goutiert, wenn gleich zu Beginn die Regeln der Erzählwelt gesetzt werden. So beginnt auch Oliver Jeffers Bilderbuch „Der Weg nach Hause“ mit einer Szene, die sich ad hoc vom Realitätsgrund abhebt: „Es war einmal ein Junge, der eines Tages, als er seine Spielsachen zurück in den Schrank räumte, ein Flugzeug fand. Er wusste nicht, wie es dort hineingekommen war, aber er wollte es trotzdem sofort ausprobieren. Das Flugzeug hob vom Boden ab und flog hoch in den Himmel.“ In den Illustrationen sitzt der Junge in diesem überdimensionalen Spielzeug, es bleibt jedoch möglich, dass allein seine Phantasie diese Story antreibt. Der Junge wird bis zum Mond fliegen und dort auf einen ebenfalls gestrandeten kleinen Außerirdischen treffen. Der nordirische Künstler Jeffers zeichnet seine Figuren mit streichholzdünnen Beinchen, unterschieden sind sie allein durch ihre Kleidung und Gesichtsfarbe, dabei erzählend, dass oft nur die (falsche) Vorstellung Angst vor vermeintlich Fremden schürt. Oliver Jeffers: „Der Weg nach Hause“, aus dem Englischen von Katharina Naumann, Von Hacht, 32 Seiten, 18 Euro, ab 4 Jahre
Kinder werden bereits durch eine einzige gute Bezugsperson geschützt vor möglichen Traumafolgestörungen im späteren Leben: das können Väter, Mütter, Geschwister, ebenso gute Freunde sein. Das Thema Freundschaft ist vielleicht auch deshalb eines der zentralen Motive nicht nur in Bilder- und Kinderbüchern, sondern in der Weltliteratur seit ihren Anfängen. Wir sind soziale Wesen. Nun hat Olivier Tallec über die Freundschaft nachgedacht. Der französische Illustrator ist in nahezu allen graphischen Gebieten beheimatet. Diese neu gestellte Aufgabe meistert er mit Bravour. Sein neues Buch erzählt von einem Eichhörnchen, das einen Freund sucht und Pilze findet (oft ist es ja andersherum). „Ich suche schon lange einen besten Freund. Anders als Kiefernzapfen fallen sie nicht von den Bäumen.“ Pok heißt der Steinpilz, doch nach einem Jahr gesellen sich weitere Tiere zum vermeintlich unzertrennlichen Duo: „Ich will einen besten Freund. Nicht zwei! Einen einzigen! Und mit den ersten Sonnenstrahlen heute Morgen kam Günther…“ – eine Haselmaus. Dropsig schauen die Viecher in diesem Bilderbuch drein, lernen jedoch, als Clique in die Welt hinauszugehen, als Team. Ein possierliches Rührstück über die Gemeinschaft – für junge Leserinnen und Leser ab 4 Jahre. Olivier Tallec: „Mein bester bester Freund“, aus dem Französischen von Ina Kronenberger, Gerstenberg, 40 Seiten, 15 Euro