Der narzisstische Konrad Kröterich von Keks, einige aus weiter Vergangenheit zu uns gekommene Flohmarkfunde, ein Gastlandbuch und ein Holtelefant beleben die schönsten Bilderbücher dieses Oktobers
Als Bilderbuch für Kinder und Erwachsene wird diese Geschichte des israelischen Komponisten Oren Lavie vorgestellt. Konrad Kröterich von Keks ist ins eigene Spiegelbild verliebt. Eines Tages träumt er von der vollkommenen Umarmung: „Es fühlte sich genau richtig an, und es war die schönste Umarmung, die ich je erlebt habe!“ Daraufhin sucht er ein geeignetes Gegenstück seiner selbst. Ovid und Platon treffen offensichtlich aufeinander, wenn Konrad Kröterich keine Mühen und Gefahren scheut, um seinem Begehr Geltung zu verschaffen. Wie der Narziss aus den berühmt gewordenen „Metamorphosen“ ist jedoch auch diesem kleinen Froschlurch kein Partner gut genug.
Der Hals seiner Giraffenfreundin Georgette ist zu lang, Goldfisch Geri zu nass, zu glitschig, die Umarmung der Schlange deutlich zu eng, der Löwe zu wild, die Krake mit ihren zahlreichen Armen überfordert schlichtweg. „Am Ende eines langen Tages, zurück in seinem Schlafzimmer, fühlte sich Konrad Kröterich trübsinnig und ziemlich unwohl in seiner Haut. Er wandte sich an die Geranien: ‚Ja, ist das denn zu viel verlangt?!’ Die Geranien sagten nichts, deshalb unterhielt sich der Kröterich auch so gerne mit ihnen.“ Doch er wird erlöst und wird am Ende erfahren, „dass es bei einer Umarmung nicht darauf ankommt festzuhalten, sondern loszulassen!“ Oren Lavie (Text), Anke Kuhl (Illustration): „Konrad Kröterich und die Suche nach der allerschönsten Umarmung“, aus dem Englischen von Mathias Jeschke, Sauerländer, 40 Seiten, 16 Euro, ab 4 Jahre
Seit „Drei unbeschwerte Tage“ (Metrolit, 2013) begeistert Max Kersting mit seinen Flohmarkt-Bildern, die er mit Edding und Tipp-Ex kommentiert. Zunächst gingen seine Kleinkunstwerke durch die sozialen Netzwerke, inzwischen gibt es alle paar Jahre einen neuen Sammelband. Neu ist „Auf der Suche nach Trouble“ – ein Kompendium kurioser Text-Bild-Scheren, unpassender Assoziationen und provokanten Sätzen, die fremden Menschen in den Mund gelegt werden. Viel wird derzeit über Sprachveränderungen diskutiert. Entlang nachgelassener Fotos, die oft fünfzig bis siebzig Jahre alt sind, macht Max Kersting auf amüsante Weise deutlich, aus welchen Phänomenen unsere Zeit zusammengesetzt ist – aber auch, welche Sätze gültig geblieben sind („Nimm einen Pullover mit für heute Abend, wenn die Sonne weg ist, wird’s kühl“). Max Kersting: „Auf der Suche nach Trouble“, Eichborn, 160 Seiten, 16 Euro
Spanien war Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse – und zu den vielen, gerade auf Deutsch erscheinenden Bilderbüchern des Landes gehört „Geraubte Namen“ von Tàssies, der 1963 in Barbasto am Fuße der spanischen Pyrenäen als Josep Antoni Tàssies Penella geboren wurde. Seine bereits 2010 im katalanischen Original erschienene und seitdem mehrfach übersetzte Geschichte erzählt von Mobbing, Aussetzung, Schikane. Im Mittelpunkt steht ein Junge, zunächst nur mit einem Apfelkopf dargestellt, der davon ausgeht, auf alle Mitschülerinnen und Mitschüler warte täglich das strahlende Leben. Aber nicht für ihn. Er glaubt, keinen Namen zu haben. „In der Schule haben sie ihn mir geraubt. Sie nennen mich Streber, weil ich mitmache. Sie nennen mich Weichei, weil ich mich nicht prügele. Einmal hatte ich eine Freundin, aber die anderen haben es bemerkt und sie mir weggenommen. Meine Schule: mein Gefängnis. Jede Stunde: eine Strafe.“ Angedeutet wird, dass der Junge bis zur Selbstmordphantasie verzweifelt ist. Die Härte seines Lebensumfelds spiegelt sich in den stark konturierten Holzschnitten dieser Geschichte. Das hüfthohe Geländer, an dem die Figur mehrfach mit dem Gesicht zum Betrachter lehnt, zeigt die Barriere, die zwischen ihm und der Mitwelt errichtet wurde. Doch gibt es am Ende einen Hoffnungsschimmer – und diesen Schimmer schafft der aufmerksame Leser selbst. Tàssies: „Geraubte Namen“, aus dem Katalanischen von Jochen Weber, Edition Bracklo, 32 Seiten, 22 Euro, ab 7 Jahre
Elefanten stapfen seit Jahrzehnten durch Kinderbücher, von David McKees „Elmar“ bis zu Jean de Brunhoffs „Babar der Elefant“ von 1931. Nach Kristina Heldmanns Phantasie erblickte „Alfred, Elefant seit 1932“ ein Jahr später das Licht dieser Welt, als sich am 7. Juli ein Holzbrett in ein Spielzeug verwandelte: „Der Elefant war Opas Einfall als Geschenk für Otto zum Geburtstag. Großartig sollte er werden, Räder haben und eine Leine zum Ziehen. So würde er Otto beim Laufen Beine machen. Das jedenfalls hofften Opa und Emmi.“ Benannt wird der Elefant nach dem berühmten Zoologen Alfred Brehm. Das Tier erlebt nun eine wechselhafte Geschichte entlang deutscher Zeitläufte. Er überlebt knapp die alliierten Bombardements und wird in den folgenden Jahrzehnten von Kinderhand zu Kinderhand gereicht, von seiner Mitwelt mal euphorisch (in der Nachkriegszeit), mal spöttisch (im Überfluss der Wirtschaftswunderjahre) aufgenommen. Alfred konkurriert in den 1980er Jahren mit Plastikspielzeug, landet 1999 auf dem Sperrmüll, wird dort von wieder neuen Kindern entdeckt und dann, in unserer Gegenwart, zum Social-Media-Star; die Hashtags werden sogleich mitgeliefert: #elefantalfred #werkenntdiesenelefanten #bittemelden #holzelefantmitgeschichte #elefantsuchtseinekinder. 2022 ist der kleine Otto von damals 92 Jahre alt und Kristina Heidmann gelingt, auf wenigen Seiten Zeit, das eigentliche Thema dieses Bilderbuchs, erfahrbar zu machen, melancholisch, wertschätzend, klassisch. Kristina Heldmann: „Alfred. Elefant seit 1932“, Jacoby & Stuart, 64 Seiten, 15 Euro, ab 4 Jahre