Der Herbst zieht auch in die Kinderbücher ein. Jon Klassen findet poetische Bilder für psychische Störungen. Ein besonders eckiger Einfall kommt aus Korea – und Kuchen gibt es obendrein.
Die 1988 geborene Koreanerin mit dem Pseudonym ZO-O gilt als eine der talentiertesten Illustratorinnen ihres Landes. Nun erscheint ihr erstes Bilderbuch, das konsequent allein jene Ecke nutzt, die entsteht, wenn man die Seiten aufklappt. Automatisch wird so aus dem zweidimensionalen Bild ein dreidimensionales. Es ist ein Spezialeffekt ohne Pop-Up-Schnickschnack, der das Buch an sich als haptisches Medium würdigt – als E-Book würde ein Großteil seiner Wirkung verschwinden.
Am Anfang steht ein stummer Rabe vor besagter Ecke, sitzt dann da, verlassen, langweilt sich augenscheinlich (es gibt kaum Wörter in diesem Buch). Dann richtet sich dieser Rabe ein und deutlich ist, dass hier ein Leben gestaltet und mit der Gestaltung ein Wesen aufgerichtet wird- bis zur abschließenden, sehr rührenden Überraschung. Ein staunenswertes Buch. / ZO-O: „Die Ecke“, Urachhaus, 64 Seiten, 16 Euro (ab 3 Jahre)
Die Ironie beginnt beim gräulichen Cover, das im Kontrast zum Titel „Aus heiterem Himmel“ steht. Der kanadisch-amerikanische Schriftsteller und Illustrator Jon Klassen, der unter anderem mitgearbeitet hat an „Kung Fu Panda 2“ und „Coraline“ (außerdem ist er Fan des Wuppertalers Wolf Erlbruch) erzählt fünf kleine Geschichten über Depression, Einsamkeit, vermeidendes Verhalten, über eine Schildkröte, die sich nur heimisch fühlt im Schatten eines gigantischen Felsen, über die science-fiction artige Transzendenzbegegnung einer kleinen Schildkröte – und über die rätselhafte Art und Weise tierischen (menschlichen) Handelns. / Jon Klassen: „Aus heiterem Himmel“, aus dem Englischen von Thomas Bodmer, NordSüd, 96 Seiten, 18 Euro
Der Herbst ist nun schon einige Tage alt und wird noch schöner mit diesem Buch. 2020 erhielt es den „Ezra Jack Keats Honor Award“ und zahlreiche gute Kritiken. Der amerikanische Maler und Autor Matthew Farina stellt in seinem Debüt Fuchsschulkind Linus vor ein Problem. Die Waldtiere bekomme in der Schule aufgetragen: „Bringt etwas mit, was ihr sammelt und stellt es den anderen vor.“ Während Schwein, Ente, Schaf, Schildkröte stante pede tönen, sie sammelte Spielkarten, Münzen, Kämme, Murmeln, muss der Fuchs passen. Doch das Sturm- und Regenwetter wird ihm helfen – er muss nur die Augen offenhalten. Dieses Buch schult den Blick fürs Immaterielle, macht Lust auf einen Waldspaziergang und definitiv auch: auf Ahornnasenzwicker. / Matthew Farina (Autor), Doug Salati (Illustrator): „Es ist Herbst, kleiner Fuchs“, aus dem amerikanischen Englisch von Ebi Naumann, Thienemann, 48 Seiten, 14 Euro (ab 4 Jahre)
Die Schweizerin Claudia Wirth beeindruckt mit einem konsequent expressiven Stil – und mit einem Bilderbuch, das wie in Linol geschnitten wirkt. Erzählt wird die Geschichte einer kleinen Maus, die einen Geburtstagskuchen backen möchte für das gigantisch große Krokodil: „Mein Kuchen wird groß. (…) Größer als das weit aufgerissene Maul des Krokodils.“ Selbstverständlich entsteht, obwohl der Bär hilft, ein Missgeschick – und die Maus scheint verzweifelt wie ein kleines Kind. Doch dieses Buch hat eine tröstliche Lösung und zeigt, dass manchmal ein anderer Blick auf die Malaise hilft, um glücklich zu sein. / Claudia Wirth: „Ein Kuchen für das Krokodil“, Jungbrunnen, 32 Seiten, 16 Euro (ab 4 Jahre)