Die schönsten Bilderbücher im April

Noch einmal kommt der beliebte Elmar-Elefant zurück, ein klitzekleines Krokodil schließt Freundschaft mit einer Gans und die Pizzakatze saust durch die Stadt; als Hommage an die Lieferhelden unserer Zeit. Doch zunächst werden Kunst (und Bücher) gerettet.

Während sich die Bildungsbürger an der Kunst erbauen, findet zur gleichen Zeit ein wahrer Kulturkampf statt – seit jeher sind Gemälde und Skulpturen der drohenden Zerstörung ausgesetzt, vonseiten einiger Aktivisten auf der einen, vonseiten der alles vernichtenden Zeit auf der anderen Seite. Wie aufwändig dem entgegengesetzt die Rettung der Kunst ist, zeigt dieses schöne Wissensbuch, das Fabienne Meyer (Restauratorin am Kupferstich-Kabinett der Staatlichen Museen zu Berlin), Sibylle Wulff (Restauratorin der über 600 Jahre alten Kustodie / Kunstsammlung der Universität Leipzig) und Martina Leykamm (Illustratorin) zusammengestellt haben. Ein entwendetes Gemälde war Ruß, Nässe und Kälte ausgesetzt. Nun soll es im Restaurierungsatelier wiederhergestellt werden, denn: „Kunst ist so etwas wie ein großes Gedächtnis. Und zwar nicht das Gedächtnis einer einzelnen Person, sondern der ganzen Menschheit! Durch Kunst wissen wir, was Menschen vor Jahrhunderten oder auch nur vor einem Jahr schön oder gruselig fanden, worüber sie nachdachten, was sie berührt hat oder auch ganz einfach, worauf sie Appetit hatten und wie es in Städten und Landschaften aussah.“

In einem Mix aus Zeichnungen und freigestellten Fotografien wird der umfangreiche Prozess anschaulich gemacht, werden Staubpinsel und Bambusspatel gezeigt, die geradezu medizinische Untersuchung von Kunst vorgestellt (vom Mikroskop bis zum Röntgenbild). Detektivisch wird es in der Abteilung „Kunstfälschungen“ und daran anschließend gibt es Materialkunde, eine Übersicht verschiedener Zeichenstile, der Aufbau von Holzskulpturen wird erklärt, auf einer Doppelseite sehen wird die ekligsten Schädlinge, vom Gelatine liebenden Silberfischchen bis zu kleinen Bücherläusen und dem wollefressenden Kabinettkäfer. Unterhaltsam ist das und lässt so jedes „Was ist Was“-Buch uralt aussehen. Fabienne Meyer, Martina Leykamm, Sibylle Wulff: „Wie rettet man Kunst?“, Karl Rauch Verlag, 80 Seiten, 30 Euro, ab 8 Jahre

In die schöne „Libreria La Educaciòn“ im kleinen Ort La Orotava im Westen Teneriffas bin ich vor den hochsommerlichen Temperaturen geflohen und habe eben da dieses schöne Bilderbuch der italienischen Illustratorin Lilia gefunden: „La oca azul“ – die blaue Gans, die ein kleines Krokodil auf eine ähnlich Weise liebkost wie sich Ente, Tod und Tulpe liebhaben wie bei Wolf Erlbruch. Wehmütig ist auch diese Geschichte, mit der melancholischen Frage des Krokodils eröffnend: „Mama, erinnerst du dich an diesen Ort? Es ist der blaue Teich, wo wir uns trafen.“ Dort wurde das schlafende Krokodil einst von der Gans aufgefunden und festgehalten. Als sich die Gans wenig später aus dem Staub machen wollte, wachte das Tierbaby auf, fing an zu schreien und nannte ausgerechnet den viel größeren Vogel „Mama“ – so ließ sich die Gans erweichen. Unter ihrer Obhut wächst der natürliche Feind heran. Doch nicht Angst, sondern dass mit dem immer größer werdenden Krokodil der Gans keinesfalls etwas zustoßen kann, ist das bestimmende Gefühl dieser Geschichte. Als „Mama“ nicht mehr laufen kann, wird nun sie von ihrem Wahlkind getragen, und so rundet sich diese Parabel: „Ich war dein Baby und jetzt gehörst du mir. Ich werde immer auf dich aufpassen.“ Ein Buch aus feinem Bleistiftstrich, sparsamen Collageelementen und sommerlichem Azur, das (noch nicht) in deutscher Sprache angeschaut werden kann. Lilia Lee: „La oca, azul“, aus dem Italienischen übersetzt von Irma Zyanya Gil Yáñez, Lata de Sal, 32 Seiten, 13,37 Euro, ab 3 Jahre

Mit der Corona-Lockdowns erlebte die Lieferbranche eine Renaissance – Anbieter wie Flink, Wolt, Gorillas, Uber-Eats und Lieferando haben in allen deutschen Großstädten Fahrradkuriere angestellt, die tagein, tagaus mit ihren quadratischen Rucksäcken (häufig unter Lebensgefahr) durch die Straßen sausen, um „Ente knusprig 48“ oder Dinkelpizza auszutragen. Kleinere, unter Corona aufgewachsene Kinder kennen Lieferdienste und können sich vermutlich nicht vorstellen, dass man früher bei einer Pizzeria anrufen, sich über das Angebot am Telefon informieren musste, um das Essen wenig später zu Fuß oder mit dem Auto abzuholen. Nur konsequent, dass Will Gmehling und Antje Damm nun die „Pizzakatze“ vorstellen, die in ihrer kleinen Community geradezu ein Star ist: „Kommt zu Frieda mit der Fratze und zu Glenn mit seiner Glatze, und zu Petra an der Pratze und zu Mimmi, Miez und Matze. Alle rufen: Pizzakatze.“ Die naiven, beinahe eindimensionalen Illustrationen sind ein buntes Abbild unserer Gesellschaft, die ohne Pizzakatze aufgeschmissen wäre – ein Bilderbuch, wie in Auftrag gegeben von der AVPN, der „Associazione Verace Pizza napoletana“ (die gibt es tatsächlich). Quatsch mit Tomatensauce und Mozzarella, für Kinder ab 2 ½ Jahre. Will Gmehling (Autor), Antje Damm (Illustration): „Pizzakatze“, Peter Hammer Verlag, 24 Seiten, 15 Euro

Nach „Kleiner Rüssel, großer Tag“ und „Alfred“ aus dem vergangenen Jahr kommt in diesem Frühjahr noch einmal das Elefantenoriginal „Elmar“ in die Kinderzimmer. Am 6. April 2022 verstarb der britische Kinderbuchautor und –illustrator David McKee im Alter von 87 Jahren. Über fünfzig Jahre lang hat er Elmar-Geschichten veröffentlicht. Sie wurden vielfach übersetzt (in über sechzig Sprachen) und haben ich mehr als zehn Millionen Mal verkauft. Das nun vorliegende Bilderbuch erzählt eine kleine Schnurre aus dem Leben des karierten Elefanten, wieder im Mix aus Gouache und Farbstiften illustriert. Elmar erwartet ein Geschenk seiner Tante Thea. Doch zunächst muss eben die gefunden werden, auch ist vollkommen unklar, warum die vergessliche Thea ein Geschenk angekündigt hat. Harmlos ist das, auf angenehme Weise undidaktisch. Ein Buch über die Vorfreude, auch erhältlich als Hörfassung im Jumbo-Verlag, gesprochen vom bekannten Kinderbucherzähler Karl Menrad (mit weiteren Elmar-Geschichten). David McKee: „Elmar und das Geschenk“, aus dem Englischen von Stefan Wendel, Thienemann, 32 Seiten, 15 Euro, ab 4 Jahre

 

Jan Drees

Ich bin Redakteur im Literaturressort des Deutschlandfunks und moderiere den „Büchermarkt“.

Im Jahr 2000 erschien mein Debütroman „Staring at the Sun“, 2007 folgte ein überarbeiteter Remix des Buchs. Im Jahr zuvor veröffentlichte der Eichborn-Verlag „Letzte Tage, jetzt“ als Roman und Hörbuch (eingelesen von Mirjam Weichselbraun). Es folgten mehrere Club-Lesetouren (mit DJ Christian Vorbau). 2011 erschien das illustrierte Sachbuch „Kassettendeck: Soundtrack einer Generation“, 2019 der Roman „Sandbergs Liebe“ bei Secession. Ich werde vertreten von der Agentur Marcel Hartges in München.

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