Vom Tierfriedhof über das verstörende Rückwärtsland, von besten Verstecken und vom Lob der Schüchternheit erzählen die schönsten Bilderbücher dieses ersten Frühlingsmonats.
Das Einschätzen von Größenverhältnisse ist eine faszinierende Lernaufgabe. Ein ungefähr dreijähriges Kind kann Gegenstände nach Größe, Form und Farbe sortieren. Doch bist zur realistischen Schätzung, vor allem wenn es um Perspektiven geht, braucht es Bücher wie dieses des französischen Autors und Illustrators Florian Pigé, Absolvent der Émile-Cohl-Schule in Lyon. Vorgestellt wird eine rote Giraffe vor wesentlich größeren Blumen und Schmetterlingen, ein Tier also, das so klein ist, dass es beinahe von der Erwachsenen übersehen wird. Welchen Vorteil es hat, klein zu sein, zeigt dieses sehr sparsam illustrierte Buch. Wer klein ist, der findet immer die besten Verstecke (zwischen Ameisen), der hat aber trotzdem Lust auf Abenteuer und keine Angst vor Neuem, denn: „Du bist so klein und willst dennoch schon so hoch hinaus.“ (Florian Pigé (Text und Illustration): „So klein“, aus dem Französischen von Nina Blitzer, Jumbo, Hamburg, 32 Seiten, 13 Euro, 3-5 Jahre)
Bereits vor zwei Jahren begeisterte die sardische Illustratorin Simona Ciraolo mit ihrer Figur des kuschelbedürftigen Kaktus (hier im Blog). Ähnlich sanft-pastellfarben wird nun eine schüchterne Qualle vorgestellt, die in der Schule kaum auffällt, auf dem Spielplatz lieber abtaucht und: „Wenn du nicht gerade auf der Suche nach ihm bist, würdest du ihn glatt übersehen.“ Die Qualle ist deshalb eine Verwandte der Minigiraffe aus Florian Pigés „So klein“ und eine schöne Chance, um Kindern zu zeigen, warum es sich lohnt, das Eigene zu akzeptieren, sich nicht größer zu machen. Die Schüchternen leben in ihrer eigenen Welt. Doch sie sind nicht allein: „Wir erkennen einander jederzeit.“ (Simona Ciraolo (Text und Illustration): „Wir Schüchternen“, aus dem Englischen von Kathrin Bögelsack, Bohem, Zürich, 32 Seiten, 16,95 Euro, 3-5 Jahre)
Dass sogar der Tod kindgerecht erzählt werden kann, zeigte 2007 Wolf Erlbruch mit “Ente, Tod und Tulpe“. In dem neuen Buch von Silvia und David Fernández und Mercè López sprechen die wagemutigen Tiere des „Zirkus Galaxie“ über den Tod und rätseln: „Was kommt danach?“ Der großartige Goldfisch glaubt an den Himmel. Der fantastische Kanonen-Chihuahua hat eher lateinamerikanische Vorstellungen. In seinem Kopf wird ein Día de Muertos gefeiret. Das Kamel träumt sich in eine paradiesische Oasenlandschaft. Zahlreiche Variationen, inspiriert von menschlichen Jenseitsideen werden hier rubriziert, bis das Buch abschließend die kleinen Leser fragt: „Und was glaubst Du?“ (Silvia und David Fernández / Mercè López: „Und danach. Gedanken über das große Jenseits“, aus dem Spanischen von Alexandra González-Calatayud, Bohem, Zürich, 52 Seiten, 18 Euro, 4-6 Jahre)
Abschließend ein Bilderbuch, das in seiner verstörenden Holzschnittästhetik eher für erwachsene Sammler geeignet ist. Kaum verwundert, dass Henning Wagenbreth im Interview (hier) bekennt: „My first and deep impression of an illustrated story was the German children book ‚Struwwelpeter’ (Shock Headed Peter) written and drawn by Dr. Heinrich Hoffmann.“ Der 1962 in Eberswalde Geborene, lehrt als Professor für Illustration an der Universität der Künste Berlin. Sein Bilderbuch „Mond und Morgenstern“ wurde mit der „Goldenen Letter“ im Wettbewerb „Schönste Bücher aus aller Welt“ und mit dem ersten Preis der Stiftung Buchkunst im Wettbewerb „Die schönsten Bücher“ ausgezeichnet. Sein neues Werk eröffnet mit Verfehlungen wie „Hast du jemanden betrogen und danach auch noch gelogen?“ und der Feststellung: „All das tut dir heute leid. / Ließe sich doch nur die Zeit / einfach nochmal rückwärts drehen, / so als wäre nichts geschehen.“
Im Rückwärtsland wird die Birne zur Enrib, das Glas zum Salg und „große weiße Steinskulpturen, / tonnenschwer und sehr erhaben / werden von den Archäologen / jetzt im Erdboden vergraben.“ Welche Folgen dieses Rückwärtsleben hat für Seemänner, Unfallopfer, Fußballspieler zeigt dieses intellektuell durchaus herausfordernde Buch, in dem sogar der Krieg nach Kanonen, Schüssen und Bomben zum glücklichen Ende führt: „Ist dann alles repariert, / Häuser, Menschen und Laternen, / wird wieder zurückmarschiert / in die Militätkasernen.“ (Henning Wagenbreth. „Rückwärtsland“, Peter Hammer Verlag, Wuppertal, 40 Seiten, 25 Euro, ab 8 Jahre)