“Mein Roman handelt von zwei politischen Lebensmenschen, die durch die Lande ziehen und gute Taten vollbringen. Solange bis eine dunkle Kraft diese Bindung wieder auseinander reißt. Es ist ein dunkler Roman, eine kleine Reise in das finstere Herz rechter Ideologien”, beschreibt David Schalko sein Buch, das in poetischen Worten von einer Liebe zwischen zwei Männern erzählt, von einem erfolgreichen Politiker und seinem Adlatus, Lover, Fahrensmann. “Er sagte: ‘Bleib in meiner Nähe’ Und ich wich ihm nicht mehr von der Seite.”
David Schalko arbeitet als Regisseur, Autor und Entwickler von Fernsehsendungen des ORF. 2005 drehte er den Fernsehfilm „Heaven“, in dem Josef Hader die Hauptrolle spielt. Außerdem führte er Regie bei der Aufzeichnung von Josef Haders Kabarettprogramm „Hader muss weg“. Schalko drehte einen Kinofilm nach dem Roman „Wie man leben soll“ von Thomas Glavinic, hatte aber zugleich einen Prozess an den Hacken. Es geht um Jörg Haider, einst Landsmann von Kärnten, dessen Berufung die Nachkommen von Ingeborg Bachmann derart anwiderte, dass sie die Namensrechte zurückzogen (Haider hatte daraufhin verweigert, den „Preis des Landes Kärnten“ weiterhin zu finanzieren, wodurch der Kelag-Preis eingesetzt wurde).
“Weiße Nacht” erzählt von einer Lichtgestalt, die “Bergpredigten” zu halten weiß. Der andere weicht seinem Schwarm nicht von der Seite: “Wenn wir arbeiteten, dann arbeiteten wir. Wenn wir schliefen, schliefen wir. Und wenn wir feierten, dann feierten wir, wenn wir tranken, stülpte es unser Innerstes nach außen. Wir weinten und wir lachten. Wir umarmten uns und tanzten slow.” – Ein strahlender Politiker muss das sein. Hier erinnert „Weisse Nacht“ an das mit sexuellen wie tierischen Anspielungen versehene Ernst-Jandl-Gedicht „Heldenplatz“ über Hitlers Rede nach dem Anschluss Österreichs vor Hunderttausenden „Fans“ am 15. März 1938: „balzerig würmelte es im männchensee / und den weibern ward so pfingstig ums heil“, schreibt Jandl.
In „Weisse Nacht“ ist es nicht anders – dem neue Freund des durchstartenden Politikers ist es vor lauter Balz auch ganz „pfingstig ums heil“, er weicht seinem Schwarm nicht von der Seite: „Wenn wir arbeiteten, dann arbeiteten wir. Wenn wir schliefen, schliefen wir. Und wenn wir feierten, dann feierten wir, wenn wir tranken, stülpte es unser Innerstes nach außen. Wir weinten und wir lachten. Wir umarmten uns und tanzten slow.“ – In solchen Augenblicken ist klar, was David Schalko meint, als er im Interview auf die Frage antwortet, weshalb er „Weisse Nacht“ geschrieben hat: „Weil mir eine poetische Aufarbeitung des Themas sinnvoll erschien. Und weil mich diese Sprache faszinierte.“
Seine Sprache ist hochpoetisch, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist sie absichtlich angelehnt an den heroisch-peinlichen Duktus von Nazi-Groschenheftchen aus den 1930er-Jahren, was das Satirische nur verstärkt: „Es soll nicht mehr regnen, Thomas, keine Wolke soll dieses Land jemals streifen. Ab jetzt und für immer, solange ich wirke.“ Solche politischen Versprechen sind natürlich urkomisch und klingen wiederum nach einer ganz anderen Diktatur, nämlich der chinesischen. Seitdem das sogenannte „Wetterveränderungsamt“ behauptet hat, es könne mithilfe chemischer und physikalischer Verfahren das Wetter im Land beeinflussen (was bei den Olympischen Spielen gründlich misslang, als es während der Eröffnungsfeier über den Stadion gewitterte), glauben viele Bürger der Volksrepublik tatsächlich, die obersten Politiker könnten nicht nur das gesellschaftliche, sondern auch das meteorologische Klima beeinflussen. Wenn es regnet, ist die Regierung schuld.
In Österreich gewittert es inzwischen heftig. Schalko geht davon aus, dass sich Pop und Politik bei Personen wie Jörg Haider, Silvio Berlusconi oder Wladimir Putin der gleichen Mittel bedienen, „und inzwischen hat Politik auch keine tieferen Inhalte mehr als Pop.“ Genau diese herablassende, bösartige und respektlose Aussage hat den Ex-Freund des 2008 bei einem Autounfall ums Leben gekommene Kärtner Landeshauptmanns und Rechtspopulisten Jörg Haider animiert, einen Prozess gegen David Schalko und „Weisse Nacht“ anzustrengen. In diesem Dienstag erst beantragte er den Ausschluss der Öffentlichkeit beim Verfahren. Hat er etwas Angst, es könnte Gelächter im Gerichtssaal geben?
Steffen Petzner, Weggefährte des 2008 in seinem VW Phaeton ums Leben gekommenen Landeshauptmanns fühlt sich durch „Weisse Nacht“ in seinem „Intimsten Lebensbereich“ verletzt. Er moniert auf dem gerichtlichen Klageweg, dass die Helden in “Weiße Nacht” Delphine lieben, die Farbe Türkis und das Wort Flocke. Denn er selbst könne sich kein zarteres, zerbrechlicheres und lieblicheres Wort als “Flocke” vorstellen. Das sei bekannt.„Weisse Nacht“ war in Österreich bereits hoch erfolgreich. Es wird Zeit, dass dieser Roman auf gleiche Weise in Deutschland oder der Schweiz die Bestsellerlisten erklimmt.
Er reiht sich mit hochliterarischem Verve in die satirische Aufarbeitung von „Lebensmensch“ Haiders Unfalltod ein. Nur schaut außerhalb Österreichs keiner das ORF-Programm. Satiriker wie Stermann & Grissemann sind eher unbekannt. Die spotteten in ihrer Sendung „Willkommen Österreich“: „Inzwischen spricht man in Kärnten über Wunder und Erscheinungen. Angeblich ist vorgestern Jörg Haider drei slowenischen Hirtenkindern erschienen.“ – „Und?“ – „Abgeschoben.“
Wenn in „Weisse Nacht“ beschrieben wird, wie sich der Körper des Ich-Erzählers in die Sonne stellt und die Energie durch sich fließen lässt und er spürt, wie sich die Farbe seiner Haut verändert, könnte man das angeblich als Hinweis auf die Sonnenbankbräune von Petzner sehen. Aber das sind alles Gerüchte, die sich im Gerichtssaal schnell als Tatsachen belegen liessen. Ist das nicht unfassbar unsouverän? „Weiße Nacht ist das erste Buch seit Thomas Bernhards Holzfällen, das per Klage eine breitere Öffentlichkeit bekam“, sagt David Schalko. „Es wurde von Kritik sehr gut aufgenommen, weil es eben keine billige Abrechnung mit Haider ist, sondern etwas ganz eigenes, sehr poetisch und unerwartet. Daher glaube ich auch, dass es in jedem Land lesbar ist, es kommt ja nicht mal ein Haiderzitat vor. Weisse Nacht behandelt in einer eigenen Kunstsprache ein Phänomen, das es überall gibt. Und schließt damit vielleicht an Romane wie Christian Krachts Faserland an. – Ein Fantasy-Faserland der Nuller Jahre vielleicht.“
Deshalb passt ganz wunderbar, dass Kracht nun das Hörbuch eingelesen hat, in einem ganz anderen Ton als es David Schalko auf seinen Veranstaltungen präsentiert. Während Schalko die satirischen Momente überhöht, durch prononcierte Doppeldeutigkeiten Lacher einfährt, nimmt sich Kracht zugunsten eines sensiblen Tons zurück. Die Klage von BZÖ-Generalsekretär Stefan Petzner wurde im Februar abgewiesen. Für Richterin Katja Bruzek ist dem Recht der Freiheit der Kunst Vorrang vor dem Schutz der Persönlichkeitsrechte zu geben. Stefan Petzner hat Berufung eingelegt, die Verhandlung findet im Sommer 2010 am Oberlandesgericht Wien statt. David Schalko fühlt sich vom angezettelten Skandal überrannt: “Die Debatte ist ärgerlich, weil es nur darum geht, ob sich Herr Petzner beleidigt fühlt. Dieses Buch handelt nicht von Herrn Petzner, sondern von Menschen wie Herrn Petzner. Das ist ein Unterschied. Das ist keine Biografie, sondern eine poetische Satire über einen Führer und seinen Lakaien. Es sollte ein bisschen mehr über das Buch als über den Herrn Petzner diskutiert werden, denn eine Diskussion über die Grenzen der Kunst kann in diesem Zusammenhang nicht ernsthaft stattfinden.”
David Schalko: “Weiße Nacht”, Czernin, 140 Seiten,16,90 Euro / das Hörbuch, gelesen von Christian Kracht, ist bei Hoanzl erschienen, 3 CDs, 203 Min.
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