Mit Depressionen wird Mila in die „Klapse“ eingewiesen, zu den Kranken, Wahnsinnigen, Magersüchtigen, Autoaggressiven. „Acht Wochen verrückt“ ist ein Selbsterfahrungsroman, der wie ein Elektroschock wirkt.
Erschöpft, ausgebrannt verlässt die 27-jährige Heldin ihr Büro und weiss, dass sie nicht mehr funktioniert. Diagnose: Burnout. Therapie: Klapse, acht Wochen am Stück – schneller geht Heilung nicht. Einschluss ist jeden Abend um 23 Uhr. Essenszeiten sind acht, dreizehn, neunzehn Uhr, jeweils eine Stunde. „Dann wünsche ich Ihnen fürs Erste einen schönen Aufenthalt. Da vorne ist der Fahrstuhl.“ Es wird eine Reise in fremde Welten, wo Menschen mit sich selber sprechen, Yogahühner beim Mandala-Malen mit dem Kosmos kommunizieren und Transsexuelle, in langen, schwarzen Kleidern umherwandeln. Kein Wunder, dass Autorin Eva Lohmann auf der ersten Seite Lewis Carroll zitiert. Ein bisschen fühlt man sich hier wie „Alice im Wunderland“, mit der Grinsekatze, dem verrückten Hutmacher und Herz-Bube Ilosovic Stayne.
Da sitzt also Mila in ihrem Kaninchenloch, das sich „psychosomatische Klinik nennt“, und lässt sich immer weiter fallen. Sie weint in Therapiestunden bei Dr. Hennings, schluckt heimlich „Notfallpillen“, rekonstruiert die Entwicklung ihres Krankheitsbildes (zuerst machten Partys keinen Spass, dann nervten selbst beste Freunde) und beruhigt Mitpatientinnen, die glauben, in Paris zu sein. Zudem gibt es aber auch „normale“ Momente, am See, beim Eisessen, auf dem Balkon usw. Dann wird „8 Wochen verrückt“ für einen kurzen Augenblick ein Internatsroman, was nicht das Allerschlechteste ist.
Im Gegenteil. Dieses Buch ist interessant, weil Mila vielschichtige Menschen trifft, im Stuhlkreis, dem Essensraum, in der Turnhalle. Es gibt Essgestörte, die Milas Weingummivorrat klauen, die persönlichkeitsgestörte Maria, die nicht grüßt, sobald sie ein anderer Mensch ist, „Rebecca vielleicht. Oder Svenja. Oder Conny. Oder vielleicht auch Dornröschen“, es gibt Trauma- und Waschzwangpatienten. Das wirkt strange? Es ist das Personal jedes durchschnittlichen Großstadtromans. Nur dass hier keine Straßenbahnen fahren und niemand samstagabends im Club abfeiern kann. „Bulimikerin, bitte nicht füttern.“
Die geschlossene Klinik, die Eva Lohmann beschreibt hat dennoch zum Glück nichts zu tun mit „Einer flog über’s Kuckucksnest“ oder dem geradezu faschistischen Sanatorium bei Psychiater und Punk „Rainald Goetz“ im 1983 erschienen Roman „Irre“. Es gibt keine Elektroschocks, keine Psychohammerpillen wie „Haldol“ und niemand wird hier gegen seinen Willens ans Bett gefesselt. Milas Therapie ist sanft, die Gespräche mit dem behandelnden Arzt anregend, die verschriebenen Antidepressiva heilend, nicht übermässig bewusstseinsverändernd. Ein mildes Licht scheint – und lässt Lebensgefahren, Psychosen, Intrigen, Dramen mit dem Ex umso schneidender erscheinen. Das besondere: Eva Lohmann kann diese Szenen treffsicher, souverän beschreiben.
Das schwierige Thema „Burnout“ ist spätestens sein dem Buch „Brief an mein Leben“ von Professorin Miriam Meckel ein Titeltrend in den Medien. Weitere prominente Burnout-Patienten sind Bestseller-Autor Frank Schätzing („Der Schwarm“), Fernsehkoch Tim Mälzer, Skispringer Sven Hannawald, SPD-Spitzenpolitiker Matthias Platzeck. Eine neue Studie hat ergeben, dass jeder fünfte Arbeitnehmer aufgrund von Stress psychisch erkrankt. „8 Wochen verrückt“ kommt also zur rechten Zeit, als sehr klares, kein bisschen skandalisierendes (und deshalb auch etwas milder wirkendes) Dokument einer schweren Reise, an deren Ende die geradezu tröstende Erkenntnis steht: „Was ist schon normal?“ Und: Alles wird gut. Lesen! Egal, warum.
Eva Lohmann: „8 Wochen verrückt – Die Erfahrungen einer jungen Burnout-Patientin“, Piper, 202 Seiten, 16,95 Euro