Alexander Schimmelbuschs Roman wurde bereits auf der Frankfurter Buchmesse abgefeiert: Mit “Blut im Wasser” gewann der Autor den Publikumspreis der Independent-Verlage. Seine Geschichte birgt ein düsteres Geheimnis.
Alexander Schimmelbuschs Hauptfigur Alex trägt den gleichen Namen wie ihr Autor und sie lebt in ähnlich edlen Verhältnissen wie der Frankfurter Industriellensohn. Sogar die Handlungsorte sind dem 34-Jährigen aus eigener Anschauung geläufig. “Ich habe an den Schauplätzen des Buchs viel Zeit verbracht”, sagt Schimmelbusch. “Deswegen ist mir das Umfeld bekannt, ein bisschen auch die Einstellung und die Wahrnehmung. Der Blick auf Dinge ist mir sehr nah.” Nur die Handlung, die ist erfunden. Mit seiner melancholischen Geschichte über zwei junge deutsche Erben, die nach dem Tod ihrer Eltern an der amerikanischen Ostküste gestrandet sind, schaut Alexander Schimmelbusch in unsere nahe Zukunft. Im mondänen Montauk ist es bereits 2010.
Dorthin haben sich die Upperclass-Kids Alex und Pia verkrochen. Er wacht zu Beginn des Romans auf und hat “einen trockenen Rieslinggeschmack im Mund.” Sie liegt im “Röntgensarg” und freut sich auf “ein ruhiges Lunch im Cipriani”. Doch obwohl dieser Roman mit zwei angedeuteten Geburten anfängt, mit dem ersten Wachwerden und mit einer Röhre, dem “Geburtskanal” nicht unähnlich, geht es vor allen Dingen um den Tod, nicht um den Anfang – sondern ums Ende.
Pia erfährt, dass sie krank ist, so krank, dass sie die Luft des Frühlings nicht mehr in ihrem Lungen spüren wird. Und Alex‘ hat nach dem Aufstehen Angst, “dass ich in der Nacht gestorben bin.” Pia macht sich auf, um kurz vor ihrem unwiderruflichen Ende ihre alte, große Liebe Alex zu suchen. Der vertreibt sich ahnungslos die Zeit, wird melancholisch, verhängt sogar seinen Spiegel, weil er seine Visage nicht sehen will (dieses Verhängen ist gleichzeitig Teil des jüdischen Taruerrituals). – Sie stirbt. Er auch.
Alex erinnert sich an Pia, ans gemeinsame Kennenlernen auf einer Botschaftsparty, an Campusfeste, auf der deutsche Auswanderer ihren geschmacklosen Taunus-Style austragen, “ihre Barbour-Jacken-Reiterstiefel-Burberry-Schal-Polo-Hemd-Kluft”, wie es Alexander ausdrückt. “Ich habe mich von der Menschheit entfernt”, denkt Alex in dieser unwirklichen Umgebung.
“Ich habe Brücken verbrannt, mit morbider, perverser Freude. Ich verkehre mit dem Licht des Mondes, mit den kalten Winden, die durch mein Schlafzimmer wehen, den Tränen des Berges, und ich muss schon völlig betrunken sein, wenn mir solche Formulierungen durch den Kopf gehen, anders ist das nicht zu erklären.” Rätselhaft. Doch gibt es eine Erklärung: Verhängte Spiegel, Todesvisionen, der Tanz um den Mond, Alex‘ Affaire mit einer Lucy, die Röntgenröhre, die als “Röntgensarg” umschrieben wird, die Gleichzeitigkeit von Leben und Tod – das sind Hinweise auf das eigentlich Genre dieses unfassbar klugen Buchs.
“Blut im Wasser” ist ein Vampirroman. Seine Helden Alex und Pia sind Untote, die in kugelsicheren Häusern, wie in Gruften leben, reiche Kinder ohne Aussichten, nacheinander Sehnende, die sich nicht bekommen haben – Stephenie Meyers “Twilight” und Bram Stokers “Dracula” lassen grüßen. Wie alle großen Romane schillert auch “Blut im Wasser”, ist mehrdeutig, erzählt eine Romanze, einen Abschied, ätzt mit Gesellschaftskritik, unterhält wie ein Cocktail-Small-Talk mit Anekdotischem, gruselt und verstört mit seinen Vampiranleihen. 130 Seiten hat dieses kleine Buch – damit man es zweimal lesen kann.
(Alexander Schimmelbusch: “Blut im Wasser”, Blumenbar, 130 Seiten, 16,90 Euro)
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