Er hat es selbst richtig erkannt: „Damit habe ich meine Existenz zerstört“, sagt Akif Pirincci in diesem stern.de-Interview über seinen Auftritt bei Pegida (die Tageszeitung „Die Welt“ hat das hier wiederum zusammengefasst, aber suggeriert, Pirincci beklagte sich „man“ habe seine Existenz zerstört). Nach vielen bizarren Aktionen, Büchern, einer Strafanzeige und diesem Telefonat mit dem Satiremagazin „Titanic“ denkt der 56-Jährige nun darüber nach, das Land zu verlassen. Er wäre dann ein Wirtschaftsflüchtling (oder in seiner Sprache: „Flüchtiland“) ohne Job.
„Jetzt haben sie sogar die Katzenbücher aus dem Programm genommen“, jammert er im Interview mit Stern.de. „Was können denn die armen Katzen dafür. Heute kam die Kündigung von Random House. Traurig.“ Bei Amazon sind seine Bücher beinahe komplett ausgelistet, abgesehen beispielsweise vom Hörbuch zu „Deutschland von Sinnen“. Es ist ein Jammer. Der über alle Zweifel erhabene Benjamin Maack warb auf spiegel.de eben hier für „Mitleid mit dem Demagogen“. Nun fliegen Pirinccis Bücher reihenweise aus den Regalen. Als es die Felidae-Krimis in den vergangenen Tagen noch bei Amazon zu kaufen gab übergaben sich enttäuschte Leser in den Kommentarspalten des Online-Buchhändlers.
Bevor Akif Pirinçci als Pegida-Anhänger untragbar wurde, hatte ich (zunächst unwissend) eines seiner Bücher in der Hand. Denn unter dem Pseudonym Cedric Arnold gelang ihm ein „Volltreffer“ (Cedric Arnold, „Volltreffer“, Heyne, 400 Seiten, 8,99 Euro) im Comedy-Sektor. Es sind 400 Seiten, die tatsächlich nicht an die schon damals nervigen Tommy Jaud-Netenjakob-Husmann-Elaborate erinnern. Arnolds/Pirinccis extrem fauler Held Arthur, Sohn eines einst erfolgreichen Bestsellerautors, erbt eine Menge Geld – und noch mehr Lasten, zu denen ein Rambo zitierender Filmfreak aus der Türkei (“Wenn du im Krieg bist, musst du selbst zum Krieg werden”) und eine unterdrückte Alleinerziehende gehören. Letzterer will er unbedingt den stalkenden Filmfreak vom Hals schaffen (“‘Ich versuche dein Problem noch heute aus der Welt zu schaffen’, sagte er im Ein-neuer-Sheriff-ist-in-der-Stadt-Ton.”) – doch stattdessen geht, natürlich: alles schief.
Damals habe ich das Buch gern gelesen. Ich stellte es auch vor und Akif Pirincci schrieb mir später via E-Mail: „Lieber Herr Drees, vielen herzlichen Dank für Ihre Antwort. Ich hoffe, ich habe ihre Sympathie für mein Buch nicht überstrapaziert. War nur so eine Idee von mir. Selbstverständlich geht Ihr Buch vor; bin ja selbst wieder dran, und weiß allzu genau, daß Ablenkung Gift ist. Dennoch und nochmals ein Riesendankeschön! Es hat mich gefreut, Sie unterhalten zu haben. Bleiben Sie mir treu und … Die allerbesten Grüße!Akif Pirincci.“
Da bekam er gute Resonanz, war ganz handzahm und auch wenn ich nicht mehr für das Buch tun konnte und wollte, weil zugleich das „Kassettendeck“ bei Eichborn erschien und ich unterwegs war hatte bis „Deutschland von Sinnen“ Sympathie für diesen seltsamen Schriftsteller und auch für seine „der kleine Akif“-Nummer. Nun mag ich nicht mehr reinlesen, der „Volltreffer“ wurde mir kaputt gemacht, so wie ich mich nur noch mit Ekel an Sibylle Lewitscharoff wage.
Dabei ist „Volltreffer” eine überraschend pointengesättigte Screwball-Komödie, die mit verruchten Spioninnen, einem Überraschungs-Stargast, undurchsichtigen Filmmanagern, einem Nazi-Goldschatz und mehreren Morden daherkommt. Wie geht man nun als Literaturjournalist damit um? Jede Neuerscheinung kann eh gelesen werden und da liegt es nahe, eben jene Texte zu ignorieren, die einen auf gewisse Weise anekeln. Dennoch lesen wir alle weiterhin Knud Hamsun oder Louis-Ferdinand Céline. Deshalb befürchte ich: wenn irgendwann ein neues Pirincci-Buch rauskommt, müsste ich es aus journalistischer Pflicht lesen. Oder werde ich irgendwann etwas rezensieren, was mit seinem Pseudonym versehen ist? Lesen? Nicht lesen? Ich bin ratlos.
Update, 28.10., 17:13: Dem Philosophen Daniel-Pascal Zorn, der hier im Philosophiemagazin „Hohe Luft“ etwas über die Täter-Opfer-Umkehr in der Pirincci-Rede geschrieben hat, ist aufgefallen, dass die Behauptung, „man“ habe seine Existenz zerstört (oder versuche es), aus diesem Text der „Jungen Freiheit“ stammen könnte. Zorn sieht eine „interessante Interferenz zum stern-Interview“, wo Pirincci sowohl sagt, „damit habe ich meine Existenz zerstört“, als auch: „das war ein Riesenfehler. Ich bin ein Provokateur, der unterhalten will.“ Bei der ‚Jungen Freiheit‘ hörte sich das aber anders an: „Es herrscht mittlerweile ein intellektueller Totalitarismus, und jeder, der abweicht, wird regelrecht hingerichtet. Einen konservativen oder rechten Intellektuellen darf es nicht geben. […]“. Der Schriftsteller Christoph H. Winter kommentiert: „Voila! Da hat die Rechte ihren Märtyrer!“
[…] den Deutschen ganz unverblümt den Marsch.“ Das sagte der türkischstämmige Schriftsteller Akif Prinicci in seiner Skandalrede bei der Pegida-Demo in Dresden; am 19. Oktober diesen Jahres. Bekannt wurde […]