„Wie heißt dieser Roman“, sagte „Bücher“-Chefredakteur Jens Poggenpohl Anfang Februar und zeigte, den Schriftzug abgedeckt, das süßliche Poesiealbumcover. Ich überlegte kurz, wollte nichts Falsches antworten, aber der Kollege drängte, „komm‘, erster Gedanke“ und ich faselte irgendwas von „Mami liebt dich“ oder „In goldenen Zeiten“; irgendeinen Kitschtitel.
„BITTERFOTZE“, ausgerechnet, in reißerischen Großbuchstaben. Nur weil Kiepenheuer & Witsch Feuchtgebiete abgelehnt hat?“ – Im Februar fragten immer mehr Freunde nach „Bitterfotze“ (eine direkte Übersetzung des schwedischen Originals „Bitterfittan“). Ich blätterte lustlos durch den kurzen Roman/das Sachbuch von Maria Sveland und wollte nicht hängenbleiben an der Geschichte über eine junge, schwedische Mutter, die ihr Kleinkind für einen kurzen Urlaub nach Teneriffa verlässt. – In dieser Zeit denkt die Heldin viel über ihr Mutter-Dasein, über Geschlechter-Ungleichheiten, über ihre sexuelle Frauwerdung im keineswegs so emanzipierten Skandinavien nach, über die Frage, ob jeder Geschlechtsakt eine Gewalttat ist und warum die christliche Religion auf der Vergewaltigung einer Teenagerin beruht, seit Gott Maria ohne ihr Wissen einen Sohn einpflanzte. Die TAZ druckte später zwei große Pro-Contra-Rezensionen ab, langsam berichteten andere Zeitungen und ich war froh, dass Jens im Magazin BÜCHER die Pflicht übernommen hatte, einen Artikel über dieses Buch zu verfassen.
In der Redaktion von 1LIVE, für die ich alle zwei Wochen Literatur vorstelle, bestand Konsens zwischen dem männlichen Redakteur, meinem männlichen Kollegen und mir: KiWi hat in dieser Saison stärkere Titel im Programm (wie Verena Rossbachers geniales Debüt „Verlangen nach Drachen“), „Bitterfotze“ berichtet auf den ersten Blicks nichts Neues, für unsere Hörer ist das kaum etwas. Wir hatten „es“ alle gelesen und (wie ich weiterhin finde „zurecht“) gelangweilt auf den Leider-Leider-Stapel gelegt. – Dann lieber Benjamin Lebert mit seinem neuen Roman „Flug der Pelikane“ einladen, eher das „Partei-Buch“ von Titanic-Sonneborn zurücklegen, für den Wahlmarathon 2009, meinetwegen auch „Macho Man“ von Moritz Netenjakob lesen, trotz Tommy-Jaud-Cover und so weiter. Eher aus Versehen akkreditierte ich mich für den lit.COLOGNE-Abend „Bitterfotzig oder das Glück der Mutterschaft: Maria Sveland trifft Kirsty Gunn“ im Ehrenfelder Theaterhaus. – Doch dann…
Maria Sveland: „Bitterfotze“, übersetzt von Regine Elsässer, KiWi, 272 Seiten, 8,95 Euro