„Ich bin nicht mehr jung. Ich merke es an den anderen. Wenn Freundinnen anrufen und sagen, dass sie schwanger sind, erwarten sie mittlerweile von mir, dass ich mich freue und nicht mehr wie früher sage: ‚Ach du Scheiße, und was jetzt?‘“ Das Leben ist anders geworden, man hat Niederlagen erlebt. – Deshalb verspricht Moderatorin Katrin Bauerfeind auch “Geschichten vom schönen Scheitern“ und bekennt: „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag“.
Katrin Bauerfeind raucht, ist zu faul für tägliche Work-Out-Einheiten, mag kein Lol, OMG, Rofl und ist beim Abnehmen realistisch geworden. „Für meine Oma, als gelernte Trümmerfrau, ist auch Burn-out vermutlich ähnlich neumodischer Quatsch wie Emanzipation oder Fußbodenheizung. Man arbeitete in ihrer Generation gefälligst so lange, bis Deutschland wieder fertig war, und aus die Maus“, schreibt sie. „Bei mir läge Deutschland immer noch in Schutt und Asche. Ich kann so ziemlich alles prokrastinieren.“ Wer kann die Moderatorin („Ehrensenf“, „Harald Schmidt“) nicht verstehen?
Erfolgreiche Bücher sind wie ein Gespräch oder eine Diskussion mit dem Leser. Katrin Bauerfeinds Geschichten kommen daher wie ein Mädelsabend unter besten Freundinnen. Man will ihr permanent beipflichten und im geschützten Raum zugegeben, dass es bei einem selbst ganz genauso ist: „Ich kaufe keine Schuhe mehr, die eine Nummer zu klein sind, weil ich denke: ‚Ach, das geht schon!‘ Ich kaufe Hosen auch nicht mehr eine Nummer kleiner, weil ich denke: ‚Ach, dann nehme ich halt ab!‘ Ich weiß trotzdem nicht, ob ich gelassener oder realistischer geworden bin…“
Sie weiß: „Rauchen ist gefährlich, keine Frage. Die meisten Raucher werden früher oder später sterben. Aber auf der anderen Seite hat eine Tante von mir beim Kniffeln mal einen halben Dreierpasch verschluckt und wäre daran fast erstickt.“ Sport ist auch aufwendiger geworden, seitdem Mutti ihr Töchterchen Katrin nicht mehr irgendwo hinfährt oder abholt. „Den Rest des Jahres hat sich weltweit wieder keine Frau so wenig bewegt wie ich, ausgenommen vielleicht die Freiheitsstatue in New York.“ Auch dass wir alle höher, schneller, weiter kommen wollen, stresst Katrin Bauerfeind kolossal.
„Ich fühle mich von so viel Energie belästigt. Ich gehe von der Küche ins Bad und habe Jetlag, Miriam Meckel hat in dieser Zeit eine Gastprofessur absolviert und ein Buch über Burn-out geschrieben.“ Miriam Meckel war einst jüngste Professorin Deutschlands, WDR-Moderatorin, PR-Beraterin, von November 2002 bis Juni 2005 Staatssekretärin für Europa, Internationales Recht und Medien. Sie bekam den Cicero-Rednerpreis in der Kategorie Wissenschaft, veröffentlichte zahlreiche Bücher, unter anderem auch eines über ihr Burn-out: „Brief an mein Leben“. Selbst dieses Buch über ihr Scheitern war ein Bestseller.
Das gilt aber auch für Katrin Bauerfeinds Debüt. Ganz vorn ist ihr Buch in die Bestsellerlisten eingestiegen, was ganz klar an ihrem Offenbarungsmut liegt: „Sex gehört irgendwann einfach dazu, man muss ja auch staubsaugen, hin und wieder, ob man Lust hat oder nicht.“ Irgendwann hat man, fast peinlich berührt beim Lesen, alles durch: Stellungen im Bett, Periode, erste Küsse, Vibratoren, Sexshops. Dabei wollte Katrin Buaerfeind als sie jung war, unbedingt eine Spießerin werden. „Bausparerin, Zweitwagenfahrerin, eine Frau, die eine von den fünfzig neuen Frisuren aus der Brigitte probiert und weiß, was für ein Farbtyp sie ist. Eine, die tolle neue Rezepte mit Tomaten ausprobiert und keinen Pool im Garten hat, aber ein aufblasbares Gummibecken.“
In Zeiten von Selbstoptimierungs-Apps fürs Smartphone, Aktivitätstrackern fürs Handgelenk und sprechenden Körperfettwaagen ist es erholsam, wenn Fernsehstars wie Sarah Kuttner vom „Mängelexemplar“ schreiben oder Katrin Bauerfeind ihr Scheitern an Leben, Liebe, Gott und die gegenwärtige Welt ausstellt. Nicht erst seit Epic-Fail- und Prank-Videos gibt es eine große Lust, anderen Menschen beim Scheitern beizuwohnen. Der Spaß verdoppelt sich, wenn es jemand mit Humor nimmt wie Katrin Bauerfeind: „Der Grund, warum es so wenige Frauen in Führungspositionen schaffen, ist, dass sie so gänzlich anders mit Niederlagen umgehen“, schreibt sie. „Frauen scheitern anders als Männer. Das ist durch die Wissenschaft nicht belegt. Aber durch mich.“ – Selbst wenn Aussagen wie diese, wenn sie von erfolgreichen Menschen ausgesprochen werden, immer ein bisschen daherkommen, wie die Bekenntnisse zum Burgermenü irgendwelcher Topmodels, die zugeben, eigentlich ein echtes Schleckermaul zu sein: Bücher wie das von Katrin Bauerfeind bleiben Lockerungsübungen für die stressige Gegenwart. „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag“ ist unterhaltsames Power-Yoga, um geschundene Nerven zu stählen und die Seele, wie sagt ma nochmal: „baumeln zu lassen“.
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