128 Seiten und trotzdem mit Lesebändchen: Peter Hein kann in einem Atemzug kleckern und klotzen. Mit seinem Tourbericht „Geht so“ bringt er das Punkding zurück ins blass gewordene Literaturspielfeld. (Der Text, ursprünglich für 1LIVE entstanden, wurde dann später hier von der Titanic aufgegriffen)
„Also, nichtmehrganzsojunge Frau, her damit. Erst mal einen gegen den Durst. Dann einen zum Gewöhnen. Und ab jetzt einfach wegen lecker.“ Mit dieser Einstellung (man ersetzte die nichtmehrganzsojunge Frau durch den nichtmehrganzsojungen Sänger) geht man am besten rein oder mit, wenn Peter Hein zur Musikantentour durch Deutschland lädt. Alkohol fließt sowieso, Party gibt es ständig, Backstage, auf der Bühne, in der Pennabsteige, dazwischen dann, am Tag, kommt das Kulturguckprogramm. Groupies? Egal. Allein im „Bandbus der Dreimonatsklasse (noch drei Monate TÜV, kostet aber nur 200 oder so)“ wird es manchmal ein bisschen stickig. Dafür quatscht Peter einem permanent die Ohren voll, schwadroniert gegen den Mief und kommt nie mit nächstliegendem Dünndenkphrasen ums Eck. Obwohl nix passiert, also, nix Spektakuläres.
„Gespielt wird man wohl haben, es gibt nämlich noch das Runterkommsaufen, den Komaschlaf, das Spätstück und die Heimfahrt.“ Ende. – Vielleicht liegt es am gelungenen Fehlfarben-Comeback „Knietief im Dispo“, das 2002 die Düsseldorfer Band aus der ungerechten Versenkung ins Jetzt-Leben zurückgerissen hat. Vielleicht kommt daher diese Energie. Es ist eine Energie, die schon vor drei Jahrzehnten spürbar war, Anfang der 80er, vor Bundeskanzler Kohl.
Damals nehmen die Herren mit „Monarchie und Alltag“ eine epochale Langspielplatte auf. Auf der Fehlfarben-Homepage liest sich das so: „In letzter Minute kann EMI-Mensch Horex Luedtke (‚is sonst zu kurz, ne?‘) die Band überreden, den absolut unbeliebtesten Titel doch noch auf die Platte zu nehmen, auch wenn die Band ihn hasst: ‚Ein Jahr (Es geht voran)‘.“ Kennt jeder. Wird weiterhin in Indieläden gespielt. Und diese EMI-Anekdote hat genau so einen launischen Grundton wie „Geht so“, wie Peters Wegbeschreibungen.
Das kleine Werk kommt absichtlich schlunzig, unzuverlässig erzählt daher: „Es hat da noch irgendwo einen amtlichen Dom, Name entfallen.“ Die Bierstadt München kann man in wenigen Sätzen abreißen: „Spielen gut, Stadt Dreck. So sah ich das. Aber falsch.“ Und im ICE gilt je nach Sonderangebotslage: „Hefeweizen oder ein kleines Frischgezapftes; da entscheidet der Literpreis.“ – Neben Augsburg, öden Wäldern, Bochum, Magdeburg und Wetzlar gibt es auch ein bisschen Kunst. Zum Beispiel bei der Documenta in Kassel. Ein Höhepunkt des Buchs: In wenigen Worten skizziert Peter, wer bei dieser „Leistungsschau“ zum kaufen anschwirrt, beispielsweise „sämtliche Geldwäscher beider Hemisphären.“
Ist doch wahr: „Die Kriminellen sind schon lang über das Stadium der Fahndungsfotos und schamhaft verdeckten Gesichter hinaus, sie zieren mit Stolz die Klatschspalten, nennen sich Geschäftsmann, Industrieller, Oligarch, Investor und so weiter. So sie nicht selbst auftauchen, sind es ihre Gatten, Kinder, Erben. Es gibt das alles auch mit Binnen-I, für die Korrekten. Gut, manche betreiben nach wie vor Sportsponsoring oder sind im Filmgeschäft, aber die können auch nicht lesen und schreiben.“ Der Autor gehört weder zur einen, noch zur anderen Sorte, er steht für sich. Das ist auf jeder Seite angenehm, stilsicher, cool. Und dieses fransige Hochkultur-Lesebändchen bleibt Unfug. „Geht so“ liest man, einmal angefangen, in einem Rutsch durch. Chapeau.
Peter Hein: „Geht so – Wegbeschreibungen“, Lilienfeld, 128 Seiten, 16,90 Euro / Als Taschenbuch für 6,90 Euro bei Kiepenheuer & Witsch erschienen