#Aufschrei im Literaturbetrieb

„Dass auf der Longlist des Deutschen Buchpreises trotz starker Neuerscheinungen kaum Frauen stehen, ist kein Zufall. Im Literaturbetrieb werden Autorinnen benachteiligt. Hilft nur eine Preis-Quote?“ Das schreibt Kollegin Dana Buchzik eben hier in der Welt, rubriziert unter „Kultur | Sexismus“. Eine Erwiderung.

Selbstverständlich ist ein Debatten eröffnender Text klar und möglicherweise einseitig. Ich bin mir dennoch unsicher, ob Dana Buchzik Recht behalten wird und habe im Literaturbetrieb vier Fragen an AutorInnen und LiteraturbetriebsangesteltInnen gestellt:

  1. Werden Frauen im Literaturbetrieb benachteiligt?
  2. Muss deshalb eine Frauenquote bei Preisen usw. eingeführt werden?
  3. Kann es ebenso möglich sein, dass es auf anderer Seite eine Benachteiligung von Männer gibt (wenn wir von Aufmerksamkeit sprechen)?
  4. Ist es egal oder nicht egal, ob Literatur von Männern oder Frauen geschrieben wird?

Angeschrieben wurden ebenso viele Frauen wie Männer, darunter Peter Stamm, Cornelia Travnicek („Chucks“), Thomas Böhm (Leiter des Internationalen Literaturfestivals Berlin), Annika Reich (die Ende der Woche antworten wird), Hartmut Lange (über dessen Werk ich meine Dissertation vorbereite), Lisa Maria Seydlitz, der mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller Michael Zeller aus Wuppertal, Juli Zeh, DVA-Lektorin Marion Kohler (im Urlaub), Ralf Bönt, Jasmin Ramadan (die bald in 1LIVE Klubbing lesen wird), Netzwerker Leander Wattig (Virenschleuder-Preis), und KiWi-Lektorin Kerstin Gleba.

Ich komme aus Wuppertal, der Stadt von Alice Schwarzer, Pina Bausch und Else Lasker-Schüler. Bei 1LIVE Klubbing – hier habe die die Redaktion vorhin gefragt – lesen seit über zwölf Jahren mehr Frauen als Männer, zumeist aus ihrem Debütroman, weshalb es mir immer erscheint, als würden weibliche Stimmen im Betrieb den männlichen vorgezogen. Vergleiche ich Redaktion, Moderation, Literaturkolleginnen, so komme ich auf zehn Frauen und vier Männer (mich eingeschlossen), die sich in 1LIVE unmittelbar (wenn auch teilweise nicht ausschließlich) mit Literatur befassen. Meine persönliche Erfahrung, mein Wohnort, selbst die Bestellliste, die ich halbjährlich an die Verlage sende sprechen nicht dafür, dass eine #Aufschrei-Debatte notwendig ist.

Dana Buchzik beobachtet sehr gut recherchiert etwas vollkommen Anderes: „Die diesjährige Longlist des Deutschen Buchpreises wartet mit fünfzehn Männern und fünf Frauen auf. Ein Ungleichgewicht, das sich nahtlos in die Statistik einpasst: In zehn Buchpreisjahren waren jeweils zwischen vier und acht Frauen vertreten. Dass die Anzahl der weiblichen und männlichen Longlistautoren kein einziges Mal auch nur annähernd ausgewogen war, wurde in der (meist männlich dominierten) Berichterstattung selten problematisiert. Jüngst behauptete etwa Literaturkritiker Jörg Magenau, es sei gar „nicht schlimm“, dass so wenige Frauen auf der Liste stünden, da ja die letzten beiden Preise an Frauen gegangen seien (an Ursula Krechel und Terézia Mora).“

Davon ausgehend argumentiert Dana Buchzik, dass der geringe Frauenanteil so nicht gerechtfertigt werden kann, weil die Longlist ein Marketinginstrument ist. Frauen wird also eine Verdienstmöglichkeit genommen. Zudem sei die Longlist ein Kanon bildendes Verfahren. Sie zählt, Kathrin Weßling und Zoë Beck zitierend, sexistische Ressentiments des Betriebs gegen schreibende Autorinnen auf, ebenso eine Drohmail, die irgendwer gegen eine Autorin verfasst hat.

Dana Buchzik schreibt: „Im Mikrokosmos der E-Literatur hängt vieles von Wohlwollen ab. Vom privaten Kontakt zu Juroren bei Stipendienvergaben. (…) Vielleicht auch vom Autorenfoto, das bei mehr und mehr Wettbewerbsbewerbungen Pflicht ist. Das schafft Abhängigkeiten und öffnet Tür und Tor für Sexismus. Der postulierte Idealismus der Buchbranche (…) wird, wenn überhaupt, nur in der U-Literatur eingelöst. Hier schauen weder Leser noch Kritiker als Erstes aufs Autorenfoto; hier werden weibliche Schriftsteller auch geduldet, wenn sie nicht langhaarig und idealgewichtig sind.“ Im Anschluss kommt Annina Luzie Schmids Ruf nach einer Quote und Dana Buchziks uneingeschränkt gute Pointe: „Die diesjährige Longlist hätte sich nämlich problemlos nur mit Frauen bespielen lassen. Den männlichen #aufschrei, der dann gefolgt wäre, hätten wir gern gehört.“

Bevor ich auf die fett gesetzten Schlagworte Marketinginstrument, Kanon, sexistische Ressentiments und Quote eingehe möchte ich die ersten Antworten meiner Umfrage  gewichtet und sortiert darstellen. Diese Liste wird im Laufe der kommenden Tage ergänzt – ich befinde mich im Urlaub und werde nicht stündlich meinen Mailaccount überprüfen. Aber diese Debatte erscheint mir gerade zu wichtig, um sie zu Gunsten eines Badenachmittages zu vernachlässigen (Kommentare, Hinweise etc. sind gewünscht, entweder per Mail an mich oder unter diesem Text – ich muss freischalten, nicht wundern bitte). Ich werde beizeiten auch auf die sehr interessanten Statistiken zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur eingehen, die Angela Leinen und Kathrin Passig 2014 bereitgestellt haben („Interessant: Bei dem einzigen Literaturpreis ohne Jury – Automatische Literaturkritik – sechs Preisträger auf eine Preisträgerin“, schreibt Angela Leinen.)

Mit Hartmut Lange beschäftige ich mich ausgerechnet mit einem männlichen Schriftsteller, dessen Werk grandios, die literarische Würdigung dieses Werks dagegen eher marginal ist. Seine Antwort auf meine Frage möchte ich voranstellen: „Seit dem 20. Jahrhundert, spätestes seit der Frauenemanzipation, werden Frauen in der Literatur nicht mehr vernachlässigt, im Gegenteil: Jelinek, Hertha Müller haben den Nobelpreis bekommen, die Bachmann war über die Maßen berühmt, die Lewitscharoff ist ebenso berühmt wie Günther Grass. Hier eine Quotenregelung zu fordern ist geradezu albern. Die Literatur kennt keine Geschlechterzuordnung mehr. Das Problem, das wir immer noch haben, und das wird wohl so bleiben: Der Betrieb kann die Spreu vom Weizen nicht sondern. Wichtig ist außerdem die Vernetzung.“ – Nun aber zu den Fragen im Einzelnen, die ich ausführlich wiedergebe und erst später wertend zusammenführen möchte:

Werden Frauen im Literaturbetrieb benachteiligt? 

„Wenn ich sehe, wie viele Verlegerinnen es gibt, Leiterinnen von Literaturhäusern, Lektorinnen, Kritikerinnen etc, – würde ich sagen, dass es im Literaturbetrieb ziemlich gut mit der Frauenquote aussieht – bis eben in führende Positionen hinein.“ (Thomas Böhm)

„Ich persönlich fühle mich keinesfalls benachteiligt, sehe aber die potentielle Gefahr als junge Frau oft etwas weniger ernst genommen zu werden als ältere Kollegen. (Cornelia Travnicek)

„Ich war drei Mal in Jurys für Literaturpreise (Mainzer Stadtschreiber, Open Mike und ein kleiner, lokaler Schreibwettbewerb) und hatte bei den Diskussionen nie das Gefühl, das das Geschlecht eine Rolle spielte. Übrigens wurden alle drei Preise von Frauen gewonnen. Aber die Zahlen, die Dana Buchzick nennt, sind natürlich eindeutig. Allerdings müsste man sie dem Geschlechterverhältnis bei den Neuerscheinungen gegenüberstellen, das ich nicht kenne.“ (Peter Stamm)

Muss deshalb eine Frauenquote bei Preisen usw. eingeführt werden? 

„Quote sagt eben nichts über Qualität. Ich möchte gute Leute in den Positionen sehen. Egal ob Frau oder Mann.“ (Thomas Böhm)

„Nun zur schwierigsten Frage, zur Quote: Aus dem Bauch heraus – Nein. Literaturpreise sind ja keine Aufsichtsratsplätze, ich glaube nicht, dass man die Zuwendungen jede Saison gerecht halbe-halbe Aufteilen könnte. Juryarbeit sieht sich sowieso schon wegen aller möglichen Vorbelastungen in der Kritik, gern „Freunderlwirtschaft“ genannt.Ich kann nur sagen, dass in meiner Jurytätigkeit (ich war z.B. drei Jahre in der Jury für ein Jahresstipendium) das Geschlecht keine Rolle bei der Entscheidung gespielt hat – aber wir haben uns hinterher gefreut, wenn wir zumindest über die Jahre hinweg ausgewogen agiert haben. Ich kann an der Uni Wien dieses gefühlte Wissen ganz klar im Wissenschaftsbereich stehen: Keine einzige Büste großer Wissenschafter im Arkadengang ist weiblich. Die einzige weibliche Figur ist die Statue der Muse in der Mitte. Aber alleine, wenn man bedenkt, wie viele junge, weibliche Kolleginnen von mir, also aus Österreich, in den letzten Jahren durchaus erfolgreich sind, kann ich keinesfalls von Benachteiligung sprechen. Ganz allgemein würde ich sagen, dass es im Kulturbetrieb viele gefühlte und manchmal sehr reale Ungerechtigkeiten gibt.“ (Cornelia Travnicek)

Eine Quote für die Longlist fände ich total falsch, einfach weil Kunst und Quoten nicht zusammenpassen. Bei Schweizer Literaturpreisen gibt es zum Teil unausgesprochene Quoten für die Sprachgruppen, was genau so ein Unsinn ist. Aber es wäre sinnvoll, eine Quote für die Jury einzuführen. Oder einfach dafür zu sorgen, dass darin mehr Frauen sitzen. (Peter Stamm)

Kann es ebenso möglich sein, dass es auf anderer Seite eine Benachteiligung von Männer gibt (wenn wir von Aufmerksamkeit sprechen)?

„Es gibt unterschiedliche Formen von Aufmerksamkeit. Und die sind nicht geschlechtsspezifisch. So höre ich zB immer wieder über Paul Auster, er sei der bestaussehende Autor der Welt. Ich habe aber sowas noch nie über eine Autorin gehört. Um Aufmerksamkeit zu erzeugen, nutzen Verlage wie Autoren verschiedene Inszenierungsstrategien – die müsste man im einzelnen anschauen.“ (Thomas Böhm)

„Es stimmt, dass öfter von der Schönheit von Autorinnen als von der von Autoren gesprochen wird. Bestimmt gibt es Kritiker, Verleger und Leser, die sich davon beeinflussen lassen. Frauen sind solch idiotischen Begriffen wie „Fräuleinwunder“ ausgeliefert, selbst wenn diese ihren Verkaufszahlen gelegentlich helfen mögen. Oft werden dann die hochgejubelten jungen Frauen später fertiggemacht, was ebenfalls meist nicht nur mit ihren Texten zu tun hat. Und die traurigen Geschichten von den Autorinnen, die nach Lesungen kein Hotelzimmer haben und dafür vom Veranstalter zu sich nach Hause eingeladen werden, kenne ich auch.“ (Peter Stamm)

Ist es egal oder nicht egal, ob Literatur von Männern oder Frauen geschrieben wird? 

Nicht egal. Jeder Mensch hat Zugang zu Erfahrungswelten, die anderen verschlossen sind. Bücher, die von Frauen geschrieben wurden, haben mir  – ich würde sagen: „weibliche“ Perspektiven auf die Welt eröffnet, die ich in Büchern von Männern nicht gefunden habe. Auch natürlich in Bezug auf die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen. (Thomas Böhm)

„Mir persönlich ist es komplett egal ob Literatur von Männern oder Frauen verfasst wird verfasst wurde. Ich lese einfach gerne gute Bücher – allerdings haben wir sicher ein historisch gewachsenes Problem noch nicht ganz abgeschüttelt: Das das „Intellektueller-Sein“ kein Beruf für eine Frau war. Ich glaube, dass es darum vor allem in der älteren Generation ein starkes Ungleichgewicht gab, das sich erst langsam einpendelt – man sieht es ja an den Debüts. Das betrifft aber nicht nur die Literatur, das betrifft alle Künste – bedenken wir nur, welch begabte Komponistinnen nicht ernst genommen wurden! Ganz klar ablesen kann man solche Entwicklungen sicher an den Nobelpreisen für Literatur. (Cornelia Travnicek)

„Natürlich ist es vollkommen egal. Aber der Literaturbetrieb ist Teil einer Welt, die noch weit davon entfernt ist, Männer und Frauen gleich zu behandeln.“ (Peter Stamm)

Zudem gibt es eine sehr umfangreiche Antwort von Kirsten Fuchs („Eine Frau spürt sowas nicht„, „Nicht der Süden„, „Heile, heile„) der ich vollkommen zustimme, abgesehen davon, dass sie meiner Meinung nach kein bisschen „humorverschmutzt“ ist. „Mir geht es gut im Literaturbetrieb“, schreibt Kirsten Fuchs, „wahrscheinlich weil ich nicht von ihm entäuscht bin. Ich habe aber auch nichts von ihm erwartet. Ich habe nicht gedacht, dass dort andere Menschen sind als anderswo. Ich finde es im Literaturbetrieb wie überall. Es gibt die klugen Dummen, die dummen Klugen, die wissenden Faulen, die dummen Faulen usw. All die gibt es mit Herz und ohne Herz, mit der Bereitschaft zu lernen, sich überraschen zu lassen, mit der Angst die Weltsicht zu verlieren, mit Neid und Missgunst. Klar sind schöne Frauen schöner und junge Frauen jünger und junge schöne Männer müssen sich auch beglotzen lassen. Klar kann man denken, dass ältere Männer klüger sind weilweilweil, eben aus Gewohnheit kann man das denken. Diese staubigen Vorurteile passt in den Literaturbetrieb schlechter als in einen anderen Betrieb, aber wieso sollten sie ausgerechnet dort nicht zu finden sein? Ich kenne überhaupt keinen Bereich in dem die meisten Menschen nicht eine Abgrenzung gegen die anderen wünschen. Ich habe mein zweites Standbein in der U-Literatur und als Vorleserin, darum bin ich auch nicht so ganz im Literaturbetrieb, denn ich bin humorverschmutzt. In der U-Ecke geht es mir als Frau sehr gut, denn es gibt angeblich nicht so viele lustige Frauen oder die werden dann schwanger, sagen die Veranstalter. Die Fragen beginnen mit Du, als Frau usw. Ich werde gebucht, weil noch eine Frau fehlt. Es gibt Veranstaltungen nur mit lustigen Frauen, die sich dann viel über Männer aufregen. Da fällt mir dann auch nichts mehr ein. In der U-Literatur will die Comedy kein Kabarett sein, das Kabarett keine Comedy. Weil es zu erfolgreich ist oder zu wenig erfolgreich, weilweilweil. Ganz wichtig ist auch, dass man eine Meinung zu PoetrySlam haben muss. Den muss man irgendwie finden, damit man nicht mit den falschen gleichzeitig pfeift. Alles was zu erfolgreich ist, kann ja nicht elitär sein und darumdarumdarum irgendein Fazit. Mein neuer Roman hat das Wort Mädchen im Titel und die ganze Zeit habe ich Angst, dass nur Mädchen ihn kaufen werden bzw. Frauen. Menschen aus dem Vertrieb sagen: denk nicht über männliche Leser nach, die gibt es aus Marktsicht gar nicht. Der Vertrieb sagt also, dass die Frauen den Markt dominieren, aber eben durch Buchkäufe, nicht durch Preise und Rezensionen. Ja, meinetwegen eine Quote, meinetwegen Bücher ohne Autorenfoto, meinetwegen Bücher ohne Autorennamen. Meinetwegen eine pure Frauenjury. Meinetwegen eine Zufallsauslosung für die Longliste.  Man kann ja mal ein bisschen experimentieren. Meinetwegen alles, hauptsache mal alte Strukturen hinterfragen. Das finde ich schon mal gut. Grundsätzlich bin ich für eine besser geförderte Herzensbildung weltweit, damit sich die Menschen nicht an diesen sinnlosen Krücken wie Geschlecht, Nationalität, Religion festhalten und dann damit auch noch rumfuchteln. Dieses Umdenken sollte in die Kitas, die Schulen, in den Literaturbetrieb…“

Die Fragen sind zum Teil absichtlich tendenziös gestellt, sollen sie doch ein Gegengewicht zum Quoten-#Aufschrei bilden. Ich bin persönlich nicht der Ansicht, dass Frauen im Literaturbetrieb benachteiligt werden (bedingt durch 1LIVE Klubbing), fände es aber fürchterlich, wenn Geschlecht vor literarischer Qualität gehen würde. Genau dies muss aber ebenso wissenschaftlich fundiert untersucht werden, wie gerade die von Florian Kessler Anfang des Jahres begonnene ZEIT-Debatte aktuell wissenschaftlich untersucht wird (beispielsweise im Rahmen dieser Winterschool in Münster). Eine Frauenquote möchte ich ebenso wenig sehen wie eine Quote für die Rezension deutschsprachiger AutorInnen, für die Zusammensetzung von Literaturredaktionen (auch wenn  mich das begünstigen würden). Es widerstrebt meiner liberalen Grundeinstellung, Probleme statistisch zu lösen. Ich glaube auch nicht, dass Männer benachteiligt werden, finde aber bei jeder Benachteiligung meinerseits selbstverständlich ausreichend vorgeschobene Gründe, die reichen von Alter, soziale Herkunft, Bildungsstand bis zu Geschlecht, Gewicht, Thema (in einer geisteswissenschaftlichen Foucault-Welt fühlen sich Luhmann-Jünger oft missverstanden). Mir ist es zudem egal, ob Literatur von Männern oder Frauen geschrieben wird. Es ist mir nicht egal, dass sie nicht gleich verteilt gelesen wird (auch hier bin ich als lesender Mann unter lesenden Frauen ein Kuriosum). Ergänzungen, Berichtigungen et cetera folgen – doch nun scheint die Sonne zu herrlich ins Hotelzimmer, der Beach Club ruft, weshalb ich nicht immer ad hoc auf jeden Einwand reagieren kann. Seht es mir bitte nach. (Stand: 19.8., 17:20 Uhr) Beitragsbild: Christopher Weber. Nachtrag 18:52: Ursprünglich hatte ich sieben mit Literatur beschäftigte Frauen in 1LIVE gezählt, nun die Zahl aber korrigiert, weil ich das Hörspiel-Shortstory-Team vergessen hatte.

Jan Drees

Ich bin Redakteur im Literaturressort des Deutschlandfunks und moderiere den „Büchermarkt“.

Im Jahr 2000 erschien mein Debütroman „Staring at the Sun“, 2007 folgte ein überarbeiteter Remix des Buchs. Im Jahr zuvor veröffentlichte der Eichborn-Verlag „Letzte Tage, jetzt“ als Roman und Hörbuch (eingelesen von Mirjam Weichselbraun). Es folgten mehrere Club-Lesetouren (mit DJ Christian Vorbau). 2011 erschien das illustrierte Sachbuch „Kassettendeck: Soundtrack einer Generation“, 2019 der Roman „Sandbergs Liebe“ bei Secession. Ich werde vertreten von der Agentur Marcel Hartges in München.

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15 Kommentare

  1. […] Jan Drees sammelte Stimmen aus dem Betrieb zu verschiedensten Fragestellungen, die die Benachteiligung von Frauen und die Einführung einer Frauenquote bei Literaturpreisen erruieren …(auch auf der Facebookseite von Jan Drees wurde äußerst divers und kontrovers debattiert, u.a. von […]

  2. […] Empfänger dann die Mitteilung persönlich.)“ Die Buchbranche ist noch einmal um eine #Aufschrei-Debatte herumgekommen. IKEA kopiert die Applewerbung und kommt den Vorzügen eines gedruckten Buchs auf die […]

  3. […] Jan Drees sammelte Stimmen aus dem Betrieb zu verschiedensten Fragestellungen, die die Benachteiligung von Frauen und die Einführung einer Frauenquote bei Literaturpreisen erruieren …(auch auf der Facebookseite von Jan Drees wurde äußerst divers und kontrovers debattiert, u.a. von […]

  4. Selbstverständlich ist vor allem die zunehmende Ökonomisierung der „literarischen“ Landschaft das eigentliche Problem, welches durch einen rein in diesem Sinne geschaffenen Buchpreis nur verschärft wird. Ein Buch ist schon beinahe dann gut, wenn es sich gut verkauft. Kritiken ergehen sich zunehmend im Nacherzählen und Meinen, weil dies der Schaffung von Hypes (oder Antihypes) viel eher dient, als sachliche Textanalyse. Was wollte eine durch und durch von Marktwirtschaft durchtränkte Gesellschaft anderes gelten lassen oder erwarten? Und selbstverständlich ist es so, dass eine Denkstruktur und Lesegewohnheit, welche sich über mehrere Jahrhunderte an männlichen Strukturen, Büchern und Philosophien geschult hat, überhaupt nicht in der Lage ist, mal eben diese Gewohnheiten fahren zu lassen. So ist auch zu erklären, dass natürlich auch Kritikerinnen „männlich“ argumentieren und urteilen. Für gut und klug und eloquent halten „wir“ nach wie vor Texte, die in irgendeiner Weise den Vorbildern und Maßstäben entsprechen. Oder nicht?
    Eine Quote ist mit Sicherheit eher entwürdigend für jene, die sich am Ende vielleicht nur aufgrund dieser Quote auf irgend einer Liste wähnen. Aber etwas mehr Bewusstsein und Wachheit wünschte ich mir, gerade von einem Betrieb mit kulturellem Anspruch, schon. Es ist ja beinahe rührend, mit welcher Naivität man hier von einer Gleichberechtigung ausgeht. Von einer Gleichbehandlung. Dabei wissen doch alle, welchen Angeboten, Forderungen, Blicken, Beurteilungen, Unterschätzungen usw. Frauen in beinahe allen Bereichen ausgesetzt sind. Und natürlich nicht durch junge attraktive Männer in lustigen, coolen und zeitgenössischen Redaktionen oder jungen Verlagen… (Und die wirklich mächtigen Verlegerinnen und Redakteurinnen nenne man mir mal. Wo sie sich halten, müssen sie sich mindestens als „schwarze Witwe“ u.ä. beschimpfen lassen…Und dass es eine ganze Masse an Mitarbeiterinnen im Literaturbetrieb gibt, heißt noch nicht, dass es eine Masse mit Einfluss ist) Ein wacher Blick auf die Reihen der deutschen Literaturauszeichnungen der letzten 12 Jahre genügt außerdem, um sich ein absolut deutliches Bild davon zu machen, dass die männlichen Preisträger in der eindeutigen Überzahl sind (meistens besteht ein Verhältnis von 8 zu 4 oder 9 zu 3 zugunsten der männlichen Mitstreiter). Und dass dies bei internationalen Preisen wie dem Nobelpreis anders ist, müsste uns doch um so mehr zum Nachdenken anregen. Ist es also doch nicht so, dass Männer bessere Bücher schreiben, sondern dass man in Deutschland Büchern von Männern schlicht mehr vertraut? Hängt das auch damit zusammen, dass diese selbstbewusster, selbstgewisser, unhinterfragter usw. aufzutreten verstehen, weil sie das seit Jahrhunderten so gelernt haben? In der Wissenschaft ist das s.g. Imposture-Syndrom unter Frauen verbreitet: Die Angst, als Hochstaplerin enttarnt zu werden. Ich kenne keinen Mann mit diesem Syndrom. Es muss also auch in der Selbstauffassung der Frau liegen, welche ihr, in einer Gesellschaft der Selbstoptimierung und Selbstinszenierung mit aller größter Sicherheit nicht von Nutzen ist.
    Ich persönlich finde Buchpreislisten vollkommen uninteressant, weil durchschaubar. In Anbetracht der Weltlage wirkt diese ganze Diskussion natürlich auch geradezu pervers verwöhnt. Geführt werden darf sie wohl dennoch.

  5. Hm.
    Ich finde #Aufschrei toll. Weil es diese Debatte losgetreten hat.
    Ich finde #Aufschrei blöde, weil es diese Debatte losgetreten hat.
    Ansonsten fallen mir zum Umgang mit diesem Thema vor allem die Lyrics des Todd Snider Songs ‚Statisticians Blues‘ ein. Was, Ihr kennt Todd Snider nicht? Ich glaube, ich werde gleich einen neuen ‚Aufschrei starten. Aber vorher der Text:

    They say 3 percent of the people use 5 to 6 percent of their brain
    97 percent use 3 percent and the rest goes down the drain
    I’ll never know which one I am but I’ll bet you my last dime
    99 percent think we’re 3 percent 100 percent of the time

    64 percent of all the world’s statistics are made up right there on the spot
    82.4 percent of people believe ‚em whether they’re accurate statistics or not
    I don’t know what you believe but I do know there’s no doubt
    I need another double shot of something 90 proof
    I got too much to think about

    Too much to think about
    Too much to figure out
    Stuck between hope and doubt
    It’s too much to think about

    They say 92 percent of everything you learned in school was just bullshit you’ll never need
    84 percent of everything you got you bought to satisfy your greed
    Because 90 percent of the world’s population links possessions to success
    Even though 80 percent of the wealthiest 1 percent of the population
    Drinks to an alarming excess
    More money, more stress

    It’s too much to think about
    Too much to figure out
    Stuck between hope and doubt
    It’s too much to think about
    Pick it now

    84 percent of all statisticians truly hate their jobs
    They say the average bank robber lives within say about 20 miles of the bank that he robs
    There’s this little bank not far from here I’ve been watching now for a while
    Lately all I can think about’s how bad I wanna go out in style

    And it’s too much to think about
    Too much to figure out
    Stuck between hope and doubt
    It’s too much to think about
    That’s right
    It’s too much to think about
    Amen
    It’s too much to think about

    Full Song Lyrics: http://www.lyrster.com//www.lyrster.com/lyrics/statisticians-blues-lyrics-todd-snider.html#ixzz3Ay04nSAY

    Wer sich das Lied anhören mag: https://www.youtube.com/watch?v=IUK6zjtUj00
    Todd Snider ist cool. Frauen sind cool. Männer sind cool.

    Schöne Grüsse
    Kai

  6. Schön, dass es Kirsten Fuchs gibt. Schön, dass ich das schon wusste. Das ist doch ein Erfahrungsbericht, den sich jeder übers Bettchen hängen kann. In jedem Satz wahr und informativ und intelligent. Experimente trotzen der Langeweile und überhaupt jeder Betriebsmüdigkeit, und allein darum kann’s gehen.

    Ich las kürzlich: Achtzig Prozent der Menschen, die glauben, dass Quoten einen Einfluss auf die „Herzensbildung“ haben könnten, glauben auch, dass es in Skandinavien keine extremistisch denkenden Menschen gibt. Und immerhin noch siebzig Prozent dieser Leute fanden, dass der „Gaucho-Tanz“ der deutschen Nationalfußballer ein schlechtes Licht auf unser Land werfe. So könnte man immer weitermachen, den P.C.-Wahn in diesem Lande zu veralbern.

    Aber nochmal zur Herzensbildung: Sinnvoll ist sicher ein lauteres Reden über Sexismus, wenn es da so viele unangenehme Erfahrungen gibt, wie Frau Buchzik schreibt.

  7. […] als Frauen saßen. Die Statistiken lassen sich hier selber nachrechnen. Jan Drees sammelt auf Lesen mit Links Stimmen zur […]

  8. […] Staffelstab der Debatte wurde bereits von Jan Drees aufgegriffen, der auf seinem Blog (Lesen mit Links) Stimmen von Männern und Frauen aus dem Literaturbetrieb zu genau diesem Thema […]

  9. Das Auszählen von irgendwelchen Quotierungen ist augenscheinlich der Sache fremd (man kann sich ja noch viele andere gut legitimierte Anspruchsteller vorstellen als nur Frauen und Männer, z.B. Österreicher und Deutsche, mit oder ohne Migrationshintergrund, heitere Prosa und ernste Prosa, Gegenwartsthemen und Vergangenheitsthemen, Stadt- und Landliteratur etc., vielleicht gleich Preise in 10 Kategorien vergeben). Wenn man ein dickes Fehlurteil vermutet – wie es vorher schon Joachim Unseld getan hat -, dann müsste man mehr in die Urteil-Detals gehen und konkret werden, also nachschauen, ob eventuell die Kriterien schief angewendet wurden (in der JUry hatten im übrigen diesmal die Frauen das Übergewicht).
    Etwas schade finde ich den Missbrauch des Wortes, das erfunden wurde, um Empörung über alltäglichen Sexismus auszudrücken: „Aufschrei“. Mehr als einen oberflächlichen Sexismus-Verdacht (!) und Indizien, die dafür und dagegen sprechen, gibt es ja nicht. Der Artikel würde vermutlich weniger Aufregung auslösen, wenn er auf dieses hier mMn unangebrachte Wort verzichtet hätte.
    Ansonsten ist die Debatte nicht ohne Belang. Es kann sein, dass in Kunst, Musik, Literatur unterschwellig „Männerproduzenten“ für bedeutungsvoller gehalten werden. Relativ gut belegt ist das für die Bildende Kunst, wo Männer flächendeckend erheblich höhere Preise erzielen, eher Einzelausstellungen bekommen und wo selbst dem größten Müll immer mit dem Urteilsvorsprung begegnet wird, es müsse doch etwas Tiefes dahinterstecken – Männer scheinen prinzipiell freundlicher, entgegenkommender und „wichtiger“ bewertet. In der Musik ganz ähnlich – insbesondere an den „bedeutungstragenden“ Rollen Komposition, Soloinstrumente (auch Lead-Gitarre) und natürlich am Dirigentenpult ist die männliche Besetzung die Regel. Warum das in der Literatur anders sein sollte, ist vorderhand nicht einzusehen, außer vielleicht, dass die Männer sich ja tendenziell als Leser immer mehr aus der Welt der Literatur verabschieden und so die Literatur von den Kunden her immer weiblicher geprägt ist (bei meinem letzten Besuch in der örtlichen Buchhandlung hatte ich den Eindruck, in einem Frauenbuchladen zu sein). Mag sein, dass also auch beim Buchpreis irgendeine sublime „bias“ am Werke ist, eventuell sehr unterbödig, aber „Aufschrei“ ist da nicht angesagt. Und Quotierung kann nicht die Lösung für eine Qualitätsentscheidung sein. Um die eingehende Beschäftigung mit den Urteilen und den beurteilten Büchern kommt man daher wohl nicht drumherum, wenn man dem Gespenst des Sexismus in der Literaturbewertung auf die Spur kommen möchte.

  10. … kleiner FunFact am Rande: der ‚Deutsche Buchpreis‘ wird seit 2005 vergeben; 6 von 9 Preisträger waren weiblich. ;-)

    Ernsthaft: Grundsätzlich schätze ich Dana sehr(!), aber diesen #Aufschrei kann ich nur bedingt nachvollziehen. Wenn wir der Logik bzw. Kritik folgen wollten, müssten wir erst einmal wissen, in welchem „Verhältnis“ die Verlage ihre hauseigenen Titel zur Nominierung eingereicht haben. – Sind es etwa schon die Verlage, die männliche Titel für ’nominierungswürdiger‘ halten? Und überhaupt (zurück zum Artikel): Geht es nur um Frauen oder auch noch um das Alter? Also vielleicht sowohl eine Frauen- als auch U30-Quote einführen?

    Diskussionen sind zwar nie verkehrt, wenn man so etwas wie Missstände zu erkennen glaubt, … in diesem Fall halte ich sie aber für kontraproduktiv. Es geht ausschließlich um den Text – nicht darum, von wem er kommt.

  11. Guido GrafGuido graf

    Ein paar Punkte dazu (die so ähnlich auch schon bei FB zu lesen waren):

    * Wer möchte ausgewogene Listen? Diejenigen vermutlich, denen sie zum Nachteil ausfallen. Folgt man dieser Logik, stimmt die Diagnose, dass es ein massives Ungleichgewicht gibt, nicht nur bei der Longlist des Buchpreises. In der ökonomischen Perspektive auf das Literatur-Betriebssystem sind diese Listen von Bedeutung. Für den sogenannten Betrieb ohnehin, wie auch für alle anderen System, die Mangel produzieren und diesen über (soziale, mediale, weniger ästhetische) Zugangs- und Ausschlusskriterien wie etwa den von Christian Huberts benannten strukturellen Sexismus verwalten. Der Akzent kann also bei jedem Aufschrei nur auf dem „wichtigen und von Verlagen und Autoren [sic!]“ – in dieser Reihenfolge wohlgemerkt – „Marketinginstrument“ liegen. Was erzählt dann etwa der zitierte Satz von Valeska Heinze: „Sie können einem Buch ungemein helfen“? Wer hilft hier wem? Wer möchte sich von wem und um welchen Preis wozu helfen lassen? Ist das Ziel dieser Hilfe Ausgewogenheit?

    * Die Argumentation des WELT-Artikels von Dana Buchzik impliziert, die Liste solle eigentlich die literarische Landschaft repräsentieren, könne das aber angesichts der Vielzahl der eingereichten Titel gar nicht leisten. Letzteres zumindest trifft notgedrungen zu, ignoriert aber auch, dass der Auswahlprozess immer schon vorher begonnen hat.

    * Ist „Frauenliteratur“ tatsächlich die Alternative, bzw. das, was auf der Liste unterrepräsentiert ist?

    • Von Hintern-Tätscheln ist die Rede, von schlimmen Drohmails: „die Mehrzahl der Autorinnen und Verlagsmitarbeiterinnen, die für diesen Artikel über ihre Erfahrungen gesprochen haben“: genau diese gründliche Recherche ist, was bislang fehlt (sicher auch ihre notwendige Transparenz) und was Teil einer wissenschaftlichen Aufarbeitung sein müsste (anstatt immer nur den Literaturbetrieb mit dem existierenden Literaturbetrieb zu erklären; bestenfalls kommen dann noch ein paar historische Absicherungen hinzu; aber hier wäre etwa auch mal eine wiederholte Beschäftigung mit Gisela Elsner und der Gruppe 47 aufschlussreich)

    * „Mikrokosmos der E-Literatur“: auch in dieser Unterscheidung gedeihen die Sexismen.

    * „Wie viele der in diesem Jahr eingereichten Romane von weiblichen Autoren stammt, ist unbekannt“ – naja, das könnte man, nimmt man die Ghostwriter aus, ja durchaus nachzählen und käme dann wieder auf die schon erwähnten, schon im Vorfeld jeden Listenwesens greifenden Sexismen.

    * Wer möchte ausgewogene Listen? Jede Antwort ist falsch.

    * Es geht nicht um eine Konstruktion, sondern: against Repräsentation: ich kann nicht von Listen Repräsentation verlangen, die etwas anderes sind und sein wollen und genauso auch verstanden werden; wie Du schreibst: der Buchpreis ist nicht „nicht zuletzt“ Marketinginstrument, er ist ein Marketinginstrument; dafür hilft das (da auch dieses Marketing über Sexismen am besten funktioniert); die Kritik könnte sich also vielleicht eher darauf richten als „nur“ zu akzeptieren, dass es den Buchpreis nun mal gibt; wenn ich ihn umdeuten will, dann nicht durch Appelle, sondern nur durch Übernahme oder Anderes.

  12. Zu dem Zitat von mir im Beitrag (“Interessant: Bei dem einzigen Literaturpreis ohne Jury – Automatische Literaturkritik – sechs Preisträger auf eine Preisträgerin”) möchte ich noch ergänzen: Es spricht – auf sehr schmaler statistischer Grundlage – immerhin dafür, dass es Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Schreiben geben könnte und die Automatische Literaturkritik das erstere bevorzugt. Ich denke noch darüber nach, ob das stimmt, und wenn ja, was es über Kathrin Passig und mich aussagt.

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