„Der Zombie zieht an, verlockt, lädt zu performativer Geselligkeit und einem tiefen Griff in den Schminktopf ein. Aber er stößt auch ab, erregt Ekel, verkörpert das Abjekte ebenso wie das Unheimliche. Aufgrund seiner (Neo-)Kolonialgeschichte (…) stellt er kulturelle Imaginarien von Gender und Race, Exotismus und hegemonialem othering ebenso zur Schau wie bioethische Debatten.“ (ZfK,11) – Computerprogramme beeinflussen das Leben aller User. Nanoroboter reparieren Organschäden. Androiden sehen inzwischen wie echte Menschen aus. Bald können wir nicht mehr unterscheiden, wer Mensch, wer Cyborg, wer jung, wer alt ist. Über die neuen Halbgeschöpfe in unserer Gegenwart.
Zombies sind unter uns. Der Tod ist als klare Grenze abgeschafft. Hirntote Frauen können gesunde Babys gebären. Cyborg-Leistungssportler mit Beinprothesen sind schneller als gesunde Läufer. Zombies oder Vampire können nicht altern. Wer ihnen nacheifern will, kann sich Botox spritzen. Unheimlich. Markus Metz und Georg Seeßlen haben vor anderthalb Jahren in ihrem Band „Wir Untote“ bereits dargestellt, in welcher Weise die Gegenwart von Posthumanen, Zombies, Botox-Monstern gesteuert wird.
2013 hat die US-Seuchenbehörde CDC zu ernsten Aufklärungszwecken die Folgen einer Zombie-Epidemie dargestellt. Vor wenigen Wochen kam heraus, dass eine Strategiegruppe des Pentagon eine weltweite Zombie-Apokalypse durchgespielt hat. Zombies sind derart allgegenwärtig, dass Ihr reales Aufkommen nur noch eine Frage der Zeit zu sein scheint. Auf Haiti ist die Zombiefizierung anderer Menschen per Gesetz unter Strafe gestellt. Es gibt also ernsthafte getroffene Vorsichtsmaßnahmen.
Zombies haben inzwischen den Vampir als ultimativ gruseliges Zeitgeistphänomen abgelöst. Zombies, wohin man schaut, selbst in der eher unaufgeregt apostrophierten Wissenschaft. An der Universität Paderborn wird in diesem Sommersemester das Seminar „Zombies. Zur Theorie und Analyse einer populärkulturellen Figur“ angeboten. Die „Zeitschrift für Kulturwissenschaften“ veröffentlicht gerade ihre neue Ausgabe mit dem Schwerpunkt „Zombies“ und präsentiert Aufsätze über „Working Dead. Walking Debt. Der Zombie als Metapher der Kapitalismuskritik“ (Jeanette Ehrmann) oder „Tropen des Terrors. Zombies und die Haitianische Revolution“ (Raphael Hörmann). Kino-Blockbuster wie „World War Z“ mit Brad Pitt oder die Erfolgsserien „The Walking Dead“ im Fernsehen und „Bite Me“ im Internet forcieren den Hype.
Schon in den 1980er Jahren wurde der Begriff Zombie für den Kapitalismus geprägt von Edwar J. Kane, Professor für Finanzwirtschaft, der George A. Romero mit Wall Street kurzgeschlossen hat. „In seinem Buch The S & L Insurance Mess: How Did it Happen? (1989) argumentierte Kane, dass Auslöser der Krise sogenannte Zombie-Banken waren, die trotz eines negativen Substanzwerts weiterhin auf dem Markt agierten und ihre Transaktionen nicht auf der grundlage von Eigenkapital, sondern von staatlich garantierten Einlagen der Federal Savings and Loan Insurance Coroporation (FSLIC) kalkulierten, ‚In effect, a zombie has transcendend ist natural death from accumulated losses by the black magic of federal guarantees‘ (Kane 1989: 4). Die Ursache der Bankenkrise sieht Kane damit nicht primär im Geschäftsgebahren der jeweiligen Zombie-Institutionen, sondern in der ‚schwarzen Magie‘ der nationalen Einlagensicherung. indem potentielle Verluste auf die SteuerzahlerInnen abgewälzt werden, während Gewinne in Form von hohen Managerboni und Ausschüttungen an TeilhaberInnen privatisiert werden, schaffe die FSLIC für Institute mit geringem Grundkapital einen Anreiz für schädliche Transaktionen.“ (Ehrmann, 23)
Selbstverständlich gibt es etliche Erklärungsansätze, weshalb ausgerechnet diese stinkenden, grunzenden Monsterwesen derzeit auf ein brachial großes Publikum stoßen. Markus Metz und Georg Seeßlen haben beispielsweise die popwissenschaftliche „Mr. Science Show“ zitiert. Dort wurde statistisch belegt, dass die Regentschaft von Republikanern und Demokraten mit dem jeweils verstärkten Aufkommen von Vampir-, beziehungsweise Zombiefilmen begleitet wird. „Für diesen Untoten-Zyklus gibt es auch eine einfache Erklärung: Die jeweiligen Halbwesen repräsentieren gerade dies, was man in der Mehrheit am meisten fürchtet: Als Demokrat sind einem die ‚Blutsauger‘ von Wall Street höchst suspekt, das Elitäre und Aristokratische wird verabscheut; als Republikaner fürchtet man den Aufstand von unten, immer wieder: die Kommunisten, die verelendeten Massen, die Rebellion der Dritten Welt.“
Auf Deutschland übertragen ergibt die Große Koalition dem entsprechend ein potenziertes Schauerbild, das Hollywood in Anlehnung an Filme wie „Cowboys and Aliens“ und „Batman v. Superman“ als „Zombies v. Vampires“ verfilmen könnte – „The Lesbian Vampire“ von 2004, der eben diese Apokalypse durchspielt müsste daher unser Film der Stunde sein. Wer seinen Unmut gegen die allgegenwärtigen Zombie-Banken und –Firmen artikulieren will, kann sich übrigens den monatlich stattfindenden Zombie-Walks anschließen. Im Spätsommer gibt es diese skurrilen Veranstaltungen unter anderem in Bayreuth (23.8.), Ulm (23.8.), Frankfurt (30.8) und Düsseldorf (7.9.).
„Der erste Zombie Walk fand 1932 als Werbeaktion für die Kinopremiere von White Zombies in New York statt und war mit durch die Straße wandelnden, verkleideten Zombies ein aufsehenerregender PR-Erfolg“, schreibt Jeanette Ehrmann in der Zeitschrift für Kulturwissenschaften. „Mit der Bankenkrise kehrte der Zombie Walk nach New York zurück. Am 3. Oktober 2011 suchten kreidebleiche, Blut überströmte und ungelenk wankende Zombies die Wall Street heim. Als ‚corporate zombies‘ schlossen sie sich zu einer Prozession zusammen, um gegen die Macht der Banken zu demonstrieren.“ Vielleicht ist das die einzig angemessene Reaktion auf Rettungsschirme, Austerität und Milliardenabschreibungen: Statt Argumentation gibt es ein verächtliches Grunzen in Richtung des superdummen Pseudokapitals.
Oder mit den Worten Jeanette Ehrmanns:„Die Arbeit am Selbst durch individuelles Coaching oder pharmazeutisches Neuro-Enhancement, aber auch unternehmerische Personalentwicklungskonzepte wie permanente Potenzialanalyse, Evaluationen, Feedbackgespräche und Motivationstrainings, gehören zum integralen Bestandteil eines neoliberalen Arbeitsregimes, das die totale affektive Identifizierung des Angestellten mit seiner arbeitnehmerischen Tätigkeit verlangt (vgl. Neckel/Wagner 2013) und damit verbunde Erfolgserlebnisse als Emanzipation verkauft (vgl, Lazzrato 2012: 87). Der Angestellte wird zum ‚Dead Man Working’ (Cederström/Fleming 2013: 12), während all diejenigen, die nicht für Akkumulation und Produktion verwertbar sind aus dem Schema Arbeit-Belohnung herausfallen.“
Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Ausgabe 1/2014: „Zombies“, Transcript, 120 Seiten, 14,99 Euro / Markus Metz, Georg Seeßlen. „Wir Untote“, Matthes & Seitz, 320 Seiten, 26,90 Euro