„Es wurde dunkel, es wurde hell, dann aber starb ich.“ Mit einem großen Busunglück beginnt Feridun Zaimoglus Roman „Liebesbrand“. Der Held kommt in diesem romantischen Epos um vor Sehnsucht, er kommt um vor Verzehren.
Man hörte das schwere Uhrenband klirren, als Feridun Zaimoglu Anfang März im Rahmen der lit.Cologne las. Der früher rockstarposende Kieler führte seinen gestikulierenden Arm nah am Mikrofon. In die Liebesgeschichte mischte sich dieses Rasseln und Klimpern, während Feridun Zaimoglu über seinen Helden, den Ex-Börsenmakler David, berichtete. Die Lesung war elektrisch, elektrisierend, ein weiteres Kapitel der unglaublichen Erfolgsgeschichte dieses wunderbaren Schriftstellers: Inzwischen hat „Liebesbrand“ vordere Plätze in verschiedenen Bestsellerlisten erklommen. Es gab, von „Liebesbrand“ ausgehend, eine große Feuilletondebatte über die neue Romantik in der deutschen Literatur.
Für Ex-Börsenmakler David beginnt die Pilgerfahrt zum Lebensglück mit einem Crash in der fernen Türkei. Der Reisebus verunglückt. 15 Menschen werden sterben. „Es wurde hell.“ Und aus dem Licht schimmert die Silhouette einer jungen Frau, die den verunglückten Mann versorgt, bevor sie engelsgleich verschwindet. Zurück bleiben Davids Sehnsüchte, ein Nummernschild und die Erinnerung an den blau leuchtenden Ring dieser traumschönen Heilerin.
Er ist gestorben. Er ist wiedergeboren. Sein Herz ist blutgefüllt und heiß. Der Man ist verliebt. Es folgt Davids Genesung im türkischen Krankenhaus. Er wird mit derben, dunkel raunenden Orientalen konfrontiert, die lodernden „Liebesbrand“ im flammenden Herzen tragen. Aber „ich war im Westen verdorben, ich war ein durch und durch degenerierter Mann des Abendlandes und von der Tradition der orientalischen Frauenanbetung hatte ich keine Ahnung.“ Gibt es sie noch, die tiefe, dunkle, romantische Liebe in Blackberry-Zeiten, kann man dichten, während Empfindungen inzwischen als SMS-Abkürzungen kursieren?
Zurück in Deutschland, von Narben gezeichnet, reist David seiner Traumfrau hinterher. Er fügt sich ein in die „Tradition der orientalischen Frauenanbetung“. Der Mann gelangt zuerst in die deutsche Provinz, fährt dann weiter Richtung Prag und Wien, trifft fremde Menschen, erfährt Abenteuer und begegnet immer wieder seiner Geliebten, in anderen Städten, in anderen Zimmern.
Es wird eine wahnsinnige, sprachlich satt gestaltete Tour, ein atemloser Lebens- und Liebesweg, der im romantischen Sinne nur ein Ziel kennt: Erlösung. Und darf man angesichts dieser riesigen Gefühle den Roman verengen auf die persönliche Geschichte seines Autors? Hat Feridun Zaimoglu seinen eigens erlebten, überlebten Busunfall in der Türkei verarbeitet oder vielmehr: Ist dies bemerkenswert, nach 370 atemraubenden Seiten? Bemerkenswert ist der Mut, einen Liebenden als lächerliche Figur zu zeigen, als Lebensunfähigen, als romantisch Getriebenen, dem die Welt nur ein Fluchtort sein kann. „Etwas kann nicht wahr sein. Es wird aber wahr“. Mit diesen Worten hat Feridun Zaimoglu seine Geschichte im Interview charakterisiert. Liebe als Skandal, Literatur als Explosion – wenn es bei der Lesung klirrt, muss das nicht zwangsläufig das Armband des Autors sein.
Feridun Zaimoglu. „Liebebrand“, KiWi, 384 Seiten, 19,95 Euro / Hörbuch: bei Jumbo)
[…] ellenlange Sätze – man musste sich ganz schön durchkämpfen. In „Leila“ (2006) und „Liebesbrand“ erzählte Feridun Zaimoglu (2008) bereits mit großer Geste und poetischen Anspielungen. In […]
[…] ellenlange Sätze – man musste sich ganz schön durchkämpfen. In „Leila“ (2006) und “Liebesbrand” erzählte Feridun Zaimoglu (2008) bereits mit großer Geste und poetischen Anspielungen. In […]