Keifende Katzenmädchen, undankbare Haustiere, frustrierte Freundinnen, schmutzige Sprüche – die kurzen Geschichten von Lesebühnen-Heldin Kirsten Fuchs lehnen sich weit aus dem Fenster und nehmen im Absturz den Leser gleich mit.
„Modern life is rubbish“ , sang die Brit-Pop-Band Blur vor beinahe 20 Jahren. Jetzt kommt die Berliner Lesebühnen-Autorin Kirsten Fuchs mit ihrem Story-Band, der eigentlich das Gleiche sagt, nur mit anderen, humorvolleren Worten. Bands spielen vor Publikum. Autoren manchmal auch. Doch bei Kirsten Fuchs ist die Unterhaltung der versammelten Fans selbstverständlich – sie ist ein Lesebühnen-Girlie, das wöchentlich neue Texte vor begeisterten Poetry-Slam-Besuchern vorträgt. Dieser unmittelbare Bühnenstil, der nach Zwischenapplaus verlangt, auf Pointen zusteuert und immer kurios sein sollte, ist typisch für die Texte des neuen Buchs, das leicht kokett feststellt: „Eine Frau spürt sowas nicht“.
Dessen ungeachtet geht es bereits auf den ersten Seiten schmerzhaft zur Sache. Da sitzen zwei Freundinnen, die eine heisst Jana, beim Bier Nummer vier und die andere, sie heisst Doreen, beschwert sich über ihre Affaire, die absolut bindungsunfähig ist. „Weißt du“, sagte Doreen zu Jana, „weißt du, mir geht es auf den Keks, dass ich den Mann beziehungsfähig mache, und dann profitiert davon eine andere Frau. Das ist doch unfair.“ Womit gleich eines der Lieblingssituationen eingeführt ist – die Unfairness. Die Ich-Erzählerin, die in vielen Fällen nicht nur Kirsten Fuchs heisst, sondern auch sehr viel von Kirsten Fuchs hat, muss sich ständig mit beklagenswerten Zuständen auseinandersetzen.
Das betrifft ihre Katze, die mit penetrantem Miauen das Lebensumfeld von Kirsten Fuchs terrorisiert, am Essen mäkelt, ohne nur einen Augenblick daran zu denken, dass, „mein Gott“, in Afrika möglicherweise „die schwarzen Katzen verhungern“, zur gleichen Zeit. Das dehnt sich vom Belebten zum Unbelebten aus, wenn beispielsweise nachts das Telefon klingelt: „Mein Leben ist so, dass für „mitten in der Nacht klingelt das Telefon“ mehrere Menschen infrage kommen.“ Doch es ist nicht einmal ein Freund, der sie zum Heiraten am nächstbesten Imbiss einladen will wie so oft, sondern die T-Box, die ihr nun die ganze Nacht lang irgendwelche Nachrichten vorspielen will.
Immer wieder sind Männer das Problem, wie der eitle Italiener, mit dem die glücklose Heldin ein „Techtel“ hatte, was man sich als eine Kirsten Fuchs-Übersetzung von „One Night Stand“ vorstellen muss. Alles könnte einfach sein, wenn sich der Italiener nicht auf einmal melden würde: „Die Mailadresse war sein Name, und der Betreff war noch mal sein Name. Also, um mich schien es nicht zu gehen. Genau so hatte ich ihn in Erinnerung.“ Diese permanente Unfairness, dieses Übersehen-Werden bezeichnet die Autorin irgendwann ganz treffend. „Das Leben kommt mir vor wie ein Staubsaugerstromkabel, das der Staubsauger nur einziehen kann, solange er Strom hat. Darum muss der Staubsauger so nah wie möglich zur Steckdose, anstatt dass … egal, egal, egal.“
Unerfreulichkeiten pariert die Frau dann mit weiblichen Waffen, gipfelnd im Text „Männerversteherin“, mit dem drolligen Untertitel: „Untersuchung der Garstigkeit des weiblichen Geschlechtes gegenüber dem männlichen Geschlecht (auch Zickigkeit genannt)“ Das ist nämlich die Kunst dieser Stories, überhaupt die große Leistung von Kirsten Fuchs – das Schlimme heimzahlen zu können, wenn auch in der Phantasie, wo der niemals Komplimente und Liebesschwüre austeilende Mann irgendwann mit Aufforderungen („Du sagst ja gar nichts. Sag doch mal was.“), Unterstellungen („Als ob ich gegen eine Wand rede.“) und Raserei („Schrei mich nicht an!“) malträtiert wird.
Er wird beheult und zum Schluss vernichtet, mit Worten, was sonst. Kirsten Fuchs ist ja Schriftstellerin. „Du wirst noch genau wie dein Vater. Ich kann deine Mutter schon verstehen, dass sie euch beide verlassen hat, als du noch ganz klein warst. Sie hat genau gewusst, dass du genauso ein verkorkster Scheißkerl …“ Ach, es ist einfach großartig, wenigstens 172 Seiten lang in der Welt von Kirsten Fuchs zu sein, die genauso unaufgeräumt, provisorisch, überfordernd konstruiert ist, wie die Welt von uns allen. „Männer leiden manchmal an mangelndem Romantikgefühl, beziehungsweise leiden die Frauen darunter. An dem mangelnden Romantikgefühl der Männer.“
Nur geben das die meisten nicht zu, niemals. Kirsten Fuchs hat kein Problem damit, angeblich moderne Beziehungsmodelle, Kommunikationsformen, den Kitsch ums Kinderkriegen, die Probleme mit Mama, Oma, Freund anzusprechen – auf hintersinnige Weise, die nur manchmal ausbricht, ins Absurde, Alberne, Zotige: „Wenn man eine Katze hat, hat das einige Vorteile. Einer davon ist, dass man so ulkige Sätze sagen kann wie Nimm deinen Schwanz von meinem Eclair!.“ Man muss eben die kleinen Freuden des Lebens annehmen, sobald sie sich anbieten – und wenn es nur ein etwas schmutziges Wortspiel ist. Dieses Buch rettet aus der Dunkelheit, die Jetzt-Zeit heisst (also, wenn man nicht verliebt ist oder reich oder so).
(Kirsten Fuchs: „Eine Frau spürt so was nicht“, Voland & Quist, 172 Seiten, 15,90 Euro)
[…] gibt es eine sehr umfangreiche Antwort von Kirsten Fuchs (“Eine Frau spürt sowas nicht“, “Nicht der Süden“, “Heile, heile“) der ich vollkommen zustimme, […]