Nach bangen Tagen darf Schriftsteller Jörg Albrecht ausreisen. Der bewaffnete Freund verlässt die tageszeitung. Thilo Sarrazin spricht einen Monolog und jetzt gibt es endlich eine „Hall of Fame“ der Remixkultur – was die Literaturszene in der vergangenen Woche bewegte – wie immer hier festgehalten im LesenMitLinks-Linkradar.
Et hätt noch emmer joot jejange? – Hell war die Aufregung ob des inhaftierten Theaterautors Jörg Albrecht (Bild) in Abu Dhabi – düster die Prognosen (hier geht es zum WDR 3-Interview). Die Frankfurter Verlagsanstalt twitterte: „Jörg Albrecht wurde während der Buchmesse in Abu Dhabi verhaftet – vermutlich, weil er vor seinem Hotel Fotos gemacht hatte. Noch immer wartet er auf die Erlaubnis, auszureisen. Wir sind schockiert und hoffen, dass der Autor möglichst bald wieder im Flieger nach Deutschland sitzt!“ Eine Petition auf change.org mag das glückliche Ende beschleunigt haben. Jörg Albrecht wird schon bald heimkehren dürfen.
Ein unschöner Nebenschauplatz war die Kommentarspalte der Zeit, wo man mehrmals Neid-Missgünstiges lesen konnte, bzw. kurz darauf: „Entfernt. Bitte äußern Sie sich konstruktv zum Artikelthema. Danke, die Redaktion.“ Was war geschehen? Von: „Der arme Patrick fühlt sich von den bösen, bösen Medien beständig angelogen. Schnuff“, bis zu „„hosenscheißer oder schriftsteller?“ was sind Sie denn jetzt? Ich kann mir denkbar schlechtere Orte vorstellen an denen man „gefangen“ gehalten wird“, und, „Oje, er wurde nicht adäquat betreut. Da tut er mir aber jetzt schon ein bisschen leid, der Arme“ (dankenswerter Weise von Stefan Möller archiviert).
Raul Zelik gehört zu den interessantesten deutschen Schriftstellern der Gegenwart. Er hat in „Berliner Verhältnisse“ die prekäre Situation der einstmals privilegierten Bildungsschicht beschrieben und mit „Der bewaffnete Freund“ einen hochpolitischen ETA-Roman veröffentlicht. Sein Unmut gegenüber dem bisherigen Auftraggeber taz macht Raul Zelik nun öffentlichkeitswirksam (auch hier von Bildblog beachtet) öffentlich: „Eine Überarbeitung wurde mir nicht vorgeschlagen, ein Ausfallhonorar nicht angeboten. Auch auf zwei Anschreiben an die Chefredaktion hat die TAZ nicht regiert. Bei mir verfestigt sich damit der Eindruck, dass es in der TAZ handfeste Formen von politischem Ausschluss und Zensur gibt.“
Absurdes Theater in Buchform: „Die Schauspielerin etwas, die, nach der Forderung der Regieanweisung, den Thilo Sarrazin Monolog spricht, wird immer als Schauspielerin sichtbar bleiben, die einen Text spricht. Aber auch als Frau, die einen Mann spricht. Sie kann deswegen nicht eins werden mit der Rolle, die sie auf der Bühne spielt.“ Das schreibt Hannes Becker im Nachwort zu „Monologe“, geschrieben von Theaterschelm Wolfram Lotz, Nachwuchsdramatiker des Jahres 2011 und dafür bekannt, Regieanweisungen in seine Stücke zu schreiben, die nicht umsetzbar sind, „wie die riesige, zweifellos echte Schlange, die einen Schauspieler frisst.“ Lesezeit: schnelle 30 Minuten.
Übernahme: Weltbild wurde nun gekauft und ein paar Mitarbeiter dürfen bleiben. Die insolvente Kette, zuletzt vor allem aufgrund ihres christlich fundamentalistischen Geschäftsgebahrens negativ aufgefallen, geht an den Finanzinvestor Paragon. Apropos Weltbild, Christentum, Untergang des Abendlandes und so weiter: Die Süddeutsche Zeitung berichtet hier von einer Studie, die herausgefunden hat, dass heutige Rapper mehr eigene Wörter kreieren als der große William Shakespeare: „Im Battle gegen die Rapper würde der Dramatiker es nicht mal unter die ersten zehn schaffen. Dabei können seine Verse verdächtig nach Untergrund-Rap klingen.“
In eigener Sache: On Air war ich vergangene Woche Dienstag in 1LIVE Plan B mit Moderator Max von Malotki. Unter anderem sprachen wir über Michael Nasts’ „Ist das Liebe oder kann das weg?“ (hier nachhören). Eine Woche vorher gab es mit Christiane Falk Sandro Veronesis „Die Berührten“ (hier nachhören). In 1LIVE Shortstory lief am Sonntag „Ein Tag wie ein Leben“ von Arkadi Babtschenko. Kommenden Freitag liest Katrin Bauerfeind (Bild) in „1LIVE Eine Nacht in Oberhausen“, Dass ich Per Leo eigentlich mag (nur sein Buch halt nicht) hatte ich vergessen, als ich WDR 5 den Minutenverriss zu „Flut und Boden“ anbot. Ist nicht persönlich gemeint.
Konsuminventur
Bereits in den 20er Jahren haben Avantgardekünstler Tonbänder gemixt. Fast 100 Jahre später gibt es nun ein deutsches Remix-Museum. Es steht: Im Internet. Dort kann man sich u.a. anschauen, wie die Briten im 2. Weltkrieg Hitler geremixt und mit Swing unterlegt haben. Georg Fischer, einer der Kuratoren (Bild) erzählte mir im 1LIVE-Interview: „Weil auch Memes eben auch im Netz entstehen und weil man auch bei vielen von diesen Memes gar keine originäre Autorschaft angeben kann. Das heisst, es ist teilweise unmöglich, ein Original, wie man das aus dem ursprünglichen Konzept eines Museums kennt – das ist im Internet mit Memes eben auch gar nicht möglich. Was wir stattdessen gemacht haben, ist, dass wir beispielsweise von den Memes den Entstehungsweg nachgezeichnet haben.“