Seit wann Bücher auch als „Gassenhauer“ bezeichnet werden können wissen wir nicht – erfolgreiche Bücher fehlen jedenfalls, glaubt man den Klagen des deutschen Buchhandels, weil in dieser Woche bekannt geworden ist, dass der Markt schrumpft, und zwar um 2,2 Prozent bzw. auf 9,32 Milliarden Euro im Jahr 2014. Zum Vergleich: Der Reifenhersteller Continental hat 2014 alleine schon 9,6 Milliarden Euro umgesetzt, ALDI Süd im Jahr 2013 sogar 15,4 Milliarden Euro. Die F.A.Z. berichtet: „Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels begründete das Minus neben dem Mangel an Top-Sellern wie der „Shades of Grey“-Reihe mit dem anhaltenden Strukturwandel. Große Buchhandelsketten verkleinern ihre Verkaufsflächen in den Städten. Zusätzlich führte die Insolvenz der Weltbild-Gruppe zu Schließungen.“ Der Onlinehandel verlor sogar 3,1 Prozent. Werden Bücher demnächst nur noch als Trendsportaccessoire wie beim zweifelhaften Bookfighting Verwendung finden? VICE hat den französischen Initiator getroffen. Zum Glück gibt es auch noch andere Nachrichten aus der Szene: über Buchtrailer, Lit-Blogs, neue Studiengänge und ein Kuriosum aus dem Hause C.H. Beck. Das Beitragsbild ist aus dem Instagram-Account von @purdymaryk und kommt aus dieser Buzzfeed-Sammlung unterschiedicher Tattoos, die von Büchern inspiriert sind.
Guckst du: Die TU Chemnitz kündigt für den 30. Oktober 2015 ihren Workshop „BuchFilmWerbung. Der Buchtrailer als Kunstform und Marketinginstrument“ an. Papers werden jetzt angenommen. „Buchtrailer sind heutzutage nahezu allgegenwärtig. Ob im Online-Buchhandel exponiert neben dem Buchcover, ob als virale Marketing-Strategie auf Youtube, auf kleinen Bildschirmen im stationären Buchhandel oder auf der großen Kinoleinwand – Buchtrailer sind ein substantieller Teil des „Lärms der Beachtungsindustrie“ (Nobert Niemeyer) geworden. (…) Erstaunlicherweise aber sind diese Trailer in der Forschung trotz ihrer Allgegenwärtigkeit bislang kaum berücksichtigt worden.“ Bild: Büro Ziegler.
Debatte_1: Zur Literaturkritik und ihrem Verschwinden meldetet sich Renate Giacomuzzi dieser Woche. Kollege Michael Pilz (Bild) kommt zu einem anderen Befund. Rein quantitativ gesehen lässt sich ein Rückgang der Literaturkritik im Feuilleton nicht nachweisen. Hinzu kommt die Literaturkritik im Netz: im Monat Mai 2014 erschienen auf literaturkritik.de 113 Buchbesprechungen und Essays, zur F.A.Z. finden sich im Zeitungsarchiv im selben Monat 227 Artikel. Giacomuzzi; „Dass es sich bei literaturkritik.de um eine Form der Literaturkritik handelt, die den herkömmlichen Qualitätsanforderungen professioneller Kritiker entspricht, wird niemand bestreiten.“
Debatte_2: Giacomuzzi bietet als Blogauswahl literaturcafe.de, satt.org, CulturMAG, Glanz&Elend, poetenladen.de, Titel-Magazin, nachtkritik.de, speziell zu österreichischer Literatur das Buchmagazin sowie Literatur im Lichthof. „Wünschenswert wäre es, wenn qualitätsvolle Literaturblogs wie LesenMitLinks, Die Büchersäufer, Begleitschreiben, Bonaventura, inadaequat, Der Umblätterer und auch die einzigartige Dschungel. Anderswelt mit ihrer Rezensions-Rubrik mehr Beachtung erfahren würden (…) Der Zwang, sich selbst auf eigene Kosten vermarkten zu müssen, um das kostbare Gut der öffentlichen Aufmerksamkeit zu erwerben, kommt dem Buchmarkt jedenfalls mit Sicherheit zu Gute.“
Humanities: Sebastian Standke vom Superlevel-Blog prophezeit bei Facebook, dass in 10 bis 20 Jahren Hochschulen Kulturwissenschaften und Informatik koppeln werden. An der Uni Bamberg gibt es bereits einen „Lehrstuhl für Angewandte Informatik in den Kultur-, Geschichts- und Geowissenschaften“, und die Leuphana Universität Lüneburg bietet ein Nebenfach „Digitale Medien / Kulturinformatik“ an. Allerdings müsste der Studienstoff beider Fächer so reduziert, dass ein gemeinsames Konzept entstehen kann, praxiserprobtes Lehrpersonal gefunden werden, und verstanden werden, „dass Kultur/Kunst keinen Gegensatz zu digitalen Medien/Programmierung/Technik darstellt.“ (s. u.)
Alles muss raus: „Der angesehene Verlag C.H. Beck senkt sein Niveau so weit ab, bis die weibliche Zielgruppe erreicht scheint. Das ist angesichts der Verlagskrise zwar verständlich, aber weder interessant noch gut für Frauen“, schreibt Marion Detjen im F.A.Z.-Blog. Denn die Münchner haben Journalistinnen wahllos mit einem Buch bemustert, das behauptet, Frauen würden sich ausbremsen, doch: „Bei den Neuerscheinungen des schöngeistigen Beck Verlags beträgt der Anteil männlicher Autoren zur Zeit 84 Prozent. Bei den historischen Titeln der letzten Jahre beträgt er über 90 Prozent. Unter den 15 ‚Empfehlungen der Redaktion‘ auf der Verlags-Website findet sich eine einzige Frau.“
Konsuminventur
Tor zur Welt: Der „Hipster-Guide to Hamburg“ war gerade geschrieben, da hieß es längst: „The hipster is dead, and you might not like who comes next“. Das muss sich keineswegs ausschließen, sagte doch bereits Karl Lagerfeld: „Hamburg ist das Tor zur Welt. Aber eben nur das Tor.“ Laut David Infante (Bild) wird der Hipster vom Yuccie abgelöst, dem Young Urban Creative. Sie starten Instagram-#Aktionen für Lifestylefirmen, träumen von künstlerischer Unabhängigkeit, besitzen mehrere Ausgaben von Jonathan Franzens „Freiheit“ und vom Hipster lassen sie sich unterscheiden: „I have no tattoos. My credit is good. Hell, I’ve got dental insurance. “Vielleicht kann Hamburg den letzten Hipstern dieser Welt eine Heimstadt geben? Durch Tore kann man schließlich in beide Richtungen gehen.
(In einer ersten Fassung stand, dass Sebastian Standke schrieb, „dass Kultur/Kunst einen Gegensatz zu digitalen Medien/Programmierung/Technik darstellt.“ Da fehlte ein kleines „k“, das den Sinn entstellte. Wurde geändert.)
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