Dann lieber Christian Rock

Der japanische Bibel-Comic „Manga Messias“ ist weltweit erfolgreich und erscheint jetzt auf Deutsch in einer griffigen Neuauflage. Das Buch wird unter anderem als Erstkommunionsgeschenk empfohlen – und ist tatsächlich geradezu absurde Kirchen-PR.

Seit jeher ist das Christentum auf der medialen Höhe seiner Zeit, von den Passionsspielen im Mittelalter über Gutenbergs Buchdruck bis zu Instagram-tauglichen Rockmusikproduktionen unserer Tage. Da wundert keineswegs, dass seit einiger Zeit auch ein „Manga Messias“ frohe Botschaft verkündet. „Wird er unsere Welt retten oder zerstören?“ eröffnet das Cover geradezu martialisch, um hernach mit der herzigen Liebesgeschichte von Maria und Josef zu eröffnen, die bekanntlich auf eine schwere Probe gestellt wird: „Josef war ein frommer Mann … aber jetzt war seine Verlobte schwanger … und er war traurig und verwirrt … ‚Ein Baby … und ich habe keine Ahnung wer der Vater sein könnte … Es .. Es ist unglaublich! Aber ich muss es akzeptieren … und ich muss die Verlobung stillschweigend lösen, damit ich sie nicht blamiere!“

Selbstverständlich wird er schnell seine Meinung ändern, und man mag den gehörnten Josef belächeln, doch sei’s drum – Manga-Helden dürfen auf unkonventionelle Weise das Licht der Welt erblicken, die Gemeinde an ihre Vorzüglichkeit bedingungslos glauben. Kein Geringerer als der Heiland schickt sich mal wieder an, die Menschheit zu erlösen. So weit, so bekannt, hier neu erzählt in schnellen Schnitten, mit violetthaarigen Engeln und kulleräugigen Frauen, die ihr Kindchenschema-Antlitz gen Himmel recken – natürlich auch mit pockennarbigen Bösewichtern, die grollen, grummeln, rumpeln.

Kein hymnischer, ein hysterischer Ton

Auf beinahe 300 Seiten wird die Geschichte Jesu im japanischen Strich bebildert. Wunder folgt schnell auf Wunder, da ist wenig Platz pro Mirakel, man hechtet durchs Neue Testament. Doch was als Superhelden-Comic angekündigt ist, liest sich einschläfernd – nicht trotz, sondern wegen der drastischen Überzeichnung. Im Manga-Kosmos verliert diese Geschichte alles Numinose. Krankenheilungen, Todeserweckungen, Bedrohungsszenarien finden auf stets gleicher Erregungsebene statt. Es ist kein hymnischer, eher ein hysterischer Ton. Abschließend schwebt der auferstandene Jesus leuchtend im airbrushblauen Himmel und verkündet:

„Gott selbst wird den Tag bestimmen … An dem sein Reich auf dieser Erde beginnt … Denn jetzt kehre ich zu meinem Vater zurück … und ihr werdet mich nicht mehr sehen! … Aber ihr werdet meine Zeugen sein.“ Und die verbliebenen Jünger antworten: „Ja, Herr!!“ mit zwei Ausrufezeichen. Doch bleibt schwer vorstellbar, dass auch nur ein Heranwachsender ob derartigen Schwulstes frohlockend in die Hände klatscht.

Erzählt wird von vielen Wundern, doch wiederum kein Wunder ist, dass die klischierte, grotesk überzeichnete Darstellung der jüdischen Pharisäer bereits anlässlich der US-amerikanischen Ausgabe als antisemitisch verdächtigt wurde. Die Juden derart drastisch mal wieder als Christusmörder darzustellen, schien nach 1945 eigentlich undenkbar. Hinzu kommt, dass sich jeder Katechismus spannender liest als dieser „Manga Messias“ und jedes TikTok-Worshipping zugänglicher erscheint für ein junges, digital begeistertes Publikum.

Hidenori Kumai (Autor), Kozumi Shinozawa (Illustrator): „Manga Messias. Wird er unsere Welt retten oder zerstören?“, aus dem Japanischen von Dorothee Kettschau, Herder, Freiburg im Breisgau, 290 Seiten, 20 Euro, ab 9 Jahre

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